KirchenkriseKatholisch? Eine Anfrage

Die katholische Kirche - nicht nur in Deutschland - steckt in einer tiefen Institutions- und Glaubenskrise. Es ist an der Zeit, der Wahrheit ins ­Gesicht zu sehen.

Der Eindruck, den die katholische Kirche gegenwärtig öffentlich hinterlässt, ist traurig, ja zum Teil verheerend. Es tröstet auch nicht, dass so manche Fehler und manches Versagen von einzelnen Personen wie Institutionen durch die Medien aufgeblasen und entsprechend überspitzt in die Gesellschaft zurückgespiegelt werden. Tatsächlich scheint sich unterschwellig fast schon wieder so etwas wie ein kulturkämpferischer antikatholischer Affekt einzuschleichen. Sind Katholiken die Ewiggestrigen, die ständig Antimodernen, Fortschrittsfeindlichen, im günstigsten Fall Sonderlinge, die man je nach Lage der Dinge in die Schranken weisen muss oder bloß müde belächeln kann?

Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann sprach vor Jahren einmal davon, dass man in der katholischen Kirche zu viele Eigentore geschossen habe. Wie es scheint, werden momentan davon besonders viele geschossen, wenn auch oftmals eher aus Hilflosigkeit, Gedankenlosigkeit, nicht mit Absicht oder Bosheit. Das Unglückselige haben Eigentore nun einmal an sich. Aber sie passieren nicht ohne Grund und oft nicht ohne verhängnisvolle Vorausentwicklungen. Eben wie beim Fußball: wenn eine Mannschaft nicht fit ist, nicht gut vorbereitet auf neue Situationen, nicht gut aufgestellt, nicht flexibel, nicht geistesgegenwärtig, führungsschwach, dafür aber erheblich verunsichert, von außen wie von innen.

Ein Führungsproblem

Der Verdacht drängt sich auf, dass vergleichbar auch die katholische Kirche, die angeblich so zentralistisch straff und streng gesetzmäßig-dogmatisch, hierarchisch gelenkt werde, ein Führungsproblem hat. Und dies nicht deshalb, weil keine Entscheidungen gefällt würden - denn es gibt davon zahlreiche. Vielmehr, weil dringend notwendige Entscheidungen in wesentlichen Dingen seit Jahrzehnten nicht gefällt werden, so dass der Reformstau im Kirchenleben fünfzig Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Reformkonzil einen massiven Reformstau im Glaubensleben nach sich zieht. Dieser wirkt wieder zurück aufs Kirchenleben und sogar auf die säkulare Gesellschaft.

Daher ist es keine Kleinigkeit, wenn jetzt wieder mit der bischöflichen Aufkündigung einer offenbar methodisch wenig kompetent vorbereiteten kriminologischen Untersuchung zur Aufklärung sexuellen Kindesmissbrauchs durch Priester der in der Sache nicht gerechtfertigte allgemeine Verdacht entsteht, man nehme dieses gravierende Problem doch nicht so ernst. Auch der vermeintlich nur ungeschickte provinzielle Vorgang, dass in zwei katholischen Krankenhäusern Kölns eine mutmaßlich vergewaltigte Frau nicht jene Hilfe fand, die notwendig und angemessen gewesen wäre, ist in der Tragweite seiner katastrophalen öffentlichen Wahrnehmung nicht zu unterschätzen. Da mag man hinter den Kulissen noch so sehr streiten, wer warum welche Schuld hatte, warum so viel berechtigte oder übertriebene Ängstlichkeit vor dem kirchlichen Dienstherrn und vor Arbeitsplatzverlust bei den Beschäftigten vorherrschte. Selbst wenn es sich bloß um ein Missverständnis über gewisse Weisungen des Arbeitgebers gehandelt haben sollte, bleibt am Ende die Erkenntnis, dass in einem schweren, menschlich nicht lösbaren Konflikt gesinnungsethische Prinzipien das überwogen, was verantwortungsethisch geboten gewesen wäre: einer bedrängten, hilfsbedürftigen Frau nach bestem Wissen und Gewissen zu helfen gemäß dem, was heutige medizinische Standards sind und was der gesunde Menschenverstand für Humanität erfordert. Im Nachhinein mögen sich die lehramtlichen Gremien noch so sehr entschuldigen und rechtfertigen, das Urteil der Öffentlichkeit ist längst gefällt und bestärkt erneut das grassierende verhängnisvolle Bild von dem, was „katholisch“ sei: eine exotische Parallelwelt zur wahren Welt.

Abbruch des Eucharistischen

Wie aber kommt die katholische Kirche, wie kommen die Katholiken, die weltoffen, gebildet, religiös anspruchsvoll und fortschrittsfreundlich sind - Kleriker wie Laien -, aus dieser Sackgasse heraus, in die sie womöglich hineinmanövriert wurden, ohne erkennbar Widerstand geleistet zu haben? Kaum jemand bedenkt in dieser verfahrenen Situation, dass es auch viele Bischöfe nicht leicht haben. Gerade die aufgeschlossenen, durchaus umsichtig reformoffenen stehen unter dem Druck extrem fundamentalistischer, traditionalistischer Denunzianten, die an den „Hirten“ mit deren eigener apostolischer Leitungsvollmacht vorbei ihre „Beobachtungen“ über angebliche Abweichungen vom Moral- und Glaubensgut der Kirche gleich nach Rom melden. Und dort finden sie williges Gehör, statt energisch zurückgewiesen zu werden.

Dass sich eine Art innerkatholische Depression mit zunehmenden neorestaurativen Trends im Kirchenleben und Geistesleben in den letzten beiden Jahrzehnten massiv verstärkt hat, kann man allein schon an der sonntäglichen Eucharistiefeier ablesen. Es wird zwar ständig behauptet, der Gottesdienstbesuch sei kein alleiniges Maß für echte und wahre Gläubigkeit. Aber er ist und bleibt zumindest für Katholiken das entscheidende Kriterium der Christusbezogenheit. Sie hat ihre liturgische Mitte im Herrenmahl, in der sakramentalen Vergegenwärtigung des Heiligen, in der Transparenz der materiellen Gaben von Brot und Wein auf den Heilswillen Gottes, auf jenes Geistige hin, das die Schöpfung durchdringt. Der Abbruch im Eucharistischen, verstärkt noch durch die kirchlich selbstverschuldeten Auflösungserscheinungen hin zu Großpfarreien, ist sehr wohl ein bedeutender Indikator für den Zustand des religiösen Lebens und der katholischen Zukunftsfähigkeit.

Abgesehen von „Elite“-Vorzeige-Gemeinden ist die Generation Unter-Sechzig kaum mehr präsent. Und nichts ist in Sicht, was den Sinn für das Sakramentale in jüngeren Generationen neu wecken könnte. Denn die magischen Welten, die einst das Sakramentale und seine „verwandelnden“ Wirkweisen bestimmt haben, sind im aufgeklärten Horizont der Lebens- und Wissenschaftserfahrungen aus guten Gründen erloschen. Die zögerlichen Versuche, mit Hilfe einer neuen Symboltheologie und modernen Sprachforschung das sakramentale Verständnis zu reinigen, zu läutern und auf eine moderne geistige Grundlage zu stellen, haben nicht oder nicht rechtzeitig das „Volk“ erreicht. Von den Vielen wird Sakramentenspendung, das Herz christlicher Praxis, im Grunde nur noch als ein folkloristisches Überbleibsel frommer Tradition, als Ritual-Serviceleistung zur Pflege familiärer, verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Bande wahrgenommen. Womöglich hat die amtliche kirchliche Lehre und Verkündigung bereits das seit langem offen stehende, sich aber schließende Zeitfenster verpasst, das Gottesverständnis im Zuge von Entmythologisierung und Aufklärung in einen aufregenden, neugierig machenden neuen Horizont zu rücken.

Warum so wenig unruhig?

Niemand hat Gott je gesehen. Aber gerade deshalb ist die große Frage in zeitgenössischen Kontexten alles andere als erledigt. Wenn Gott fehlt, wie der Schriftsteller Martin Walser nicht müde wird zu betonen, dann müssten doch der Schmerz und die Sehnsucht nach dem Rätselhaften dieser Welt erst recht Menschen beunruhigen und bewegen. Warum steht die Kirche da so desinteressiert, traditionsverhaftet abseits? Tradition meint doch „weitergebend“ aktiv suchen nach dem Neuen, mit Blick auf die Ursprünge. Wie steht es eigentlich innerkirchlich um diese Unruhe um den unbekannten, mysteriösen Gott inmitten einer unbekannten, rätselhaften Welt, die immer frag-würdiger wird im besten Sinne, je mehr wir von ihr und über sie ergründen und wissen - von der Kosmologie bis zu den letzten materiell-geistigen Bausteinen des Lebens? Wo macht sich der weite Atem des Katholischen als unerschrockene Weite und unbegrenzte Neugier, als Lust am Fortschreiten und Erkennen noch bemerkbar? Wie kat-holisch sind wir Katholiken überhaupt noch, obwohl wir das Wort vom „Allumfassenden“, „Ganzen“ im Namen tragen? Degeneriert das Katholische zu seinem Gegenteil, zum Provinziellen? Es ist höchste Zeit, sich dieser Gefahr bewusstzuwerden. Das öffentliche Erscheinungsbild hat wahre Ursachen. An denen aber trägt nicht eine mit angeblich „sprungbereiter Feindseligkeit“ auf Katholiken und Kirchenleitung einschlagende Presse die Schuld.

Lehre klemmt hinten und vorne

Das Außenbild hängt mit dem Innenbild zusammen. Soeben hat das Sinus Markt- und Sozialforschungsinstitut in Heidelberg Studienergebnisse über die Lage der Katholiken in den verschiedenen gesellschaftlichen Milieus vorgelegt, die ein schonungsloses Bild der Lage zeichnen. Zuletzt wurden frühere Untersuchungen mit Hilfe qualitativer Interviews unter hundert Katholikinnen und Katholiken aus den verschiedenen Milieus ergänzt, um neben dem Quantitativen im intensiven Gespräch das Qualitative genauer zu ergründen. In der Katholischen Akademie in Bayern wurden grundlegende Befunde vorgestellt, die die dramatischen Veränderungen im Kirchen- wie Glaubensleben sichtbar machen.

Quer durch alle Milieus, selbst bei den Traditionsorientierten, Bürgerlichen, Konservativen, unter denen sich der „Kern“ katholischer Kirchenpräsenz gebildet hat, verstehen sich sehr viele Getaufte nicht mehr als gläubig im hergebrachten Sinn. „Insbesondere in den jungen und unterschichtigen Milieus spielen Glaube und Religion im Alltag häufig gar keine Rolle mehr“, erklären die Verfasser. Viele Glaubensinhalte wie Gottesvorstellungen sind diffus geworden. Nicht aus bösem Willen, sondern weil die Menschen erkennen, dass es in der dogmatischen Lehre hinten und vorne klemmt und dass die katechismusartigen „Antworten“ nicht mehr übereingehen mit der sonstigen Lebens- wie Welterfahrung und entsprechend wissenschaftlichem Wissen.

Besonders schwer gelitten hat die Glaubwürdigkeit der Kirche inzwischen ausgerechnet bei ihren treuesten Anhängern. Die Kindesmissbrauchsfälle beurteilen viele aus den kirchennahen Milieus als „Symptom der desolaten Verfassung, in der die Institution katholische Kirche sich heute befindet“. Gerade im traditionellen Gesellschaftssegment, in der bürgerlichen Mitte, sehen sich viele betroffen, verunsichert, in ihrem Glauben erschüttert. Bezeichnend ist, dass die jungen, aufstrebenden Bildungs- und Wissensmilieus, die Modernitätsorientierten, zwar ihr negatives Bild von Kirche und Katholizismus ständig bestätigt und verstärkt sehen, dass sie aber überhaupt kein Interesse mehr verspüren, sich zum Beispiel mit den Missbrauchsskandalen und anderen Schwächen der Glaubensgemeinschaft - auch religiöser Art - auseinanderzusetzen. Es lohnt nicht. Mit Kirche will man ohnehin nichts zu tun haben. Für sehr viele dieser wichtigen Leute in der Mitte des Lebens, die die Zukunft und das Herz der Gesellschaft bilden, ist die katholische Kirche, ja Kirche überhaupt ein Auslaufmodell.

Zudem sehen die meisten Katholiken keine Notwendigkeit mehr, die sogenannte Sonntagspflicht zu erfüllen. Bei jüngeren Leuten spielt diese ohnehin keine Rolle mehr.

Autorität durch Argumente

Nachdem die Wahl eines deutschen Papstes gerade in Deutschland selbst von zuvor eher kritischen Leuten wohlwollend, positiv, manchmal sogar euphorisch aufgenommen worden war, scheint sich das Meinungsbild erheblich geändert zu haben. Anfangs hieß es, gerade ein betont konservativer Theologe könne umsichtige Reformschritte einleiten. Das geflügelte Wort bei Amtsantritt war: „Dieser Papst wird noch für Überraschungen gut sein.“ Das Sinus-Institut beschreibt den Stimmungsumschwung unter Katholiken ungeschminkt, recht schroff: „Kritisiert wird die weltfremde, reaktionäre und obstruktive Kirchenleitung sowie die rückwärts gewandte Kirchenpolitik des Papstes, dem man nicht selten einen Rückfall hinter das Zweite Vatikanum unterstellt (‚Roll back‘).“

Andererseits wird die „hierarchische Struktur der katholischen Kirche … als Traditionsbestand mehrheitlich nicht grundsätzlich infrage gestellt“, auch das Papsttum nicht. Diese Spannung zeigt vermutlich ein Autoritätsproblem an und nicht nur ein Kommunikationsproblem. Genauer: Es geht um ein Argumentationsproblem. Viele sehr gute Argumente aus der Mitte des Volkes Gottes für den künftigen Weg der katholischen Kirche sind vom Lehramt schlichtweg ignoriert, mit Verweis auf weltkirchliche Regelungen weggetröstet oder als grundsätzlich irrelevant und unmöglich abgewiesen worden. Die Kirchenleitung setzt dabei - unterstützt von einigen einseitig ausgewählten Theologen - allein auf das Traditionsargument. Dabei wollen sogar die liberal-kritischen, intellektuellen Katholikinnen und Katholiken Traditionen im Kern bewahren, allerdings durch Erneuerung auf Zukunft hin. Auch das ist ein erstaunliches Ergebnis von Sinus.

Die Kirchenleitungen höchst nachdenklich stimmen müsste die stark bejahte Aussage: „Die Kirche ist besser als ihre derzeitige Führung.“ Damit verbindet sich häufig die Vermutung, dass die katholische Kirche, so wie sie sich im Moment hierzulande zeige, „keinen Bestand haben wird“. Während in den gehobenen Milieus die Meinung vorherrscht, dass die Kirche „ihre Identität bewahren, aber in der Zeit ankommen“ muss, sind die eher unterschichtigen Milieus überzeugt, dass sich an den verkrusteten Strukturen ohnehin nichts ändert. „Wenn die Kirche verschwinden würde, wäre das im Alltag ohne Bedeutung.“

Progressistisch ist jetzt konservativ

Die gläubigen Katholiken wünschen von ihrer Kirche in erster Linie spirituelle Orientierung und Sinngebung. Danach erst folgt seelsorgerische Begleitung in schwierigen Lebenslagen und Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. Fast alle möchten allerdings ein „tröstliches Ende“ und schlussendlich kirchlich bestattet werden. Die Angst davor, „einfach so verscharrt zu werden“, sei ein wichtiger Grund für viele, in der Kirche zu bleiben. Klingt hier womöglich ein mythologischer Rest der einstigen Drohbotschaft mit der Hölle nach?

Auffällig ist: Die vielen bekannten strukturellen Reformforderungen werden längst vor allem in den konservativen und bürgerlichen Milieus erhoben. Was einmal als „progressistisch“ galt, ist inzwischen „konservativ“. Von daher ist es absurd, die Bitte zum Beispiel um Aufhebung des verpflichtenden Zölibats für Weltpriester - entsprechend der Regelung etwa in den katholischen und orthodoxen Ostkirchen - als Sondermeinung von „Kirchenrebellen“ zu verunglimpfen. Und sogar unter Konservativen ist eine Mehrheit davon überzeugt, dass es an der Zeit sei, ein Frauenpriestertum in der katholischen Kirche offen zu diskutieren und einzuführen. Dass Papst Johannes Paul II. die Ablehnung des geistlichen Amtes für Frauen quasi-unfehlbar dogmatisiert hat, wird im Bewusstsein selbst konservativer Gläubigen schlichtweg nicht rezipiert.

Sehr viele Katholiken beschleicht laut Untersuchungen das Gefühl von Resignation, Ohnmacht, ja letzten Endes Desinteresse, weil es unmöglich sei, „bis in die Spitzen der Hierarchie vorzudringen“. Eine tragfähige, zukunftsfähige Lösung des kirchlichen Personalproblems, des Priestermangels, durch mutige Reformen sei offenkundig „von oben nicht gewollt“ - so der vorherrschende Eindruck.

Natürlich bleibt die Frage, ob und was soziologische Untersuchungen bewirken, verändern können. Oder ob in einer Gegenbewegung jetzt erst recht per Trotzreaktion einer Idealisierung der schrumpfenden „kleinen Herde“ das Wort geredet wird. Über eine Sitzung des Ständigen Rats der Bischofskonferenz, der sich mit den jüngsten Sinus-Ergebnissen befasst hat, schreibt die Katholische Nachrichten-Agentur: „Eine erste Diskussion … verlief dem Vernehmen nach kontrovers. Was die Kirche in ihrer derzeitigen Lage brauche, seien nicht immer neue Studien, die ohnehin bekannte Probleme benennen. Entscheidend sei vielmehr eine Rückbesinnung auf Christus und eine überzeugende Verkündigung seiner Botschaft, so eine in Würzburg vertretene Meinung. Befürworter der Studie hielten dagegen, es sei durchaus sinnvoll, zu analysieren, wie die Verkündigung bei den Gläubigen ankomme und was diese derzeit von ihrer Kirche erwarteten.“

Das Katholischsein bedarf einer dringenden Reform, was eine grundlegende Gewissenserforschung unten wie oben voraussetzt, ohne Tabus, ohne fromme Lügen und Abwiegelungen. Die Glaubenden müssen mitsamt ihrem Lehramt der Wahrheit ins Gesicht sehen. Der Neutestamentler Thomas Söding, Mitglied der Internationalen Theologenkommission des Vatikan, schrieb soeben über „Katholisch werden“ aus biblischer Sicht in der „Theologisch-praktischen Quartalschrift“ (1/2013): „Das Katholische gehört zum Wesen der Kirche, gleich welcher Konfession. Es ist nicht einfach das Globale und Universale, aber schon gar nicht das Regionale oder Nationale. Im griechischen Wort steckt das Ganze - und das, was dieser Ganzheit entspricht. Die katholische Kirche … hat den einen Glauben und die vielen Charismen, die eine Taufe und die vielen Gebete, die eine Eucharistie und die vielen Formen der Frömmigkeit.“

„Beim ganzen Volk beliebt“

Söding erinnert daran, dass in der frühen Christen-Geschichte nach der Zerstörung Jerusalems die kirchliche Bedeutung Roms erheblich gestiegen sei, aber auch die theologische Verantwortung. „Keine andere kennt die Versuchung der Macht und Heuchelei so wie die römische Kirche; keine andere muss sich dem katholischen Prinzip so verpflichtet wissen wie sie. Von einem römischen Zentralismus, einem Jurisdiktionsprimat, einer päpstlichen Suprematie ist im Neuen Testament nichts zu erkennen. Wenn sie sich später entwickelt haben, dann aus historischen und theologischen Gründen, die sich am neutestamentlichen Zeugnis ausweisen müssen und an den faktischen Wirkungen der Sammlung und Heiligung, die sie erzielen.“

Vor allem zeichnet das Wesen des Katholischseins von Anbeginn aus: Offenheit, Aufmerksamkeit und Zuwendung, Bereitschaft und Fähigkeit, das Leben zu teilen, auch in religiöser Hinsicht. Und: „Zum katholischen Prinzip, wenn es neutestamentlich entwickelt und nicht konfessionell enggeführt wird, gehört das Prinzip der Sendung. Dieses Prinzip allein kann Universalität und Personalität, Präsenz und Transzendenz, Solidarität und Subsidiarität der katholischen Kirche verwirklichen. Das ist eine Herausforderung, die zu bestehen im Wesentlichen immer noch aussteht.“

Wie katholisch in diesem Sinn ist die katholische Kirche - heute? In der Apostelgeschichte heißt es über die frühe Christengemeinde werbend: „Und alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte. Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Einfalt des Herzens. Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt.“ Katholisch? Katholisch! Eine Anfrage und eine Antwort - alles andere als harmlos für die Zukunftsfähigkeit des Christseins.

Anzeige: In der Tiefe der Wüste. Perspektiven für Gottes Volk heute. Von Michael Gerber

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