KriegWarum gibt es immer wieder Krieg?

Die Evolution honoriert den Erfolg, nicht die Moral. Antworten des Evolutionsbiologen Bernhard Verbeek.

Obwohl Kriege unendliches Leid bringen, gelingt es der Menschheit nicht, ihr Zusammenleben gewaltfrei zu organisieren. Warum? Der Dortmunder Evolutionsbiologe Bernhard Verbeek macht ein Zusammenspiel aus Genetik und Kultur dafür verantwortlich. „Bei Kriegen spielen die historische Situation, die kulturelle Umgebung und das kollektive Gedächtnis eine entscheidende Rolle. Dies alles ist mitgestaltet durch das neuronale Gefüge der Individuen und wirkt darauf zurück, bisweilen fatal“, schreibt er in der Zeitschrift „Universitas“ (Juli).

Die Evolution belohne nicht Moral, sondern Erfolg. Daher habe auch die von der Bibel seit Jahrtausenden gepredigte „Moral der Feindesliebe“ nie funktioniert. „Das kommt daher, dass schon in prähumanen Zeiten Populationen, die ihre Ressourcen selbstlos Fremden oder gar Feinden überließen, nicht lange Bestand hatten, im Gegensatz zu solchen, deren Mitglieder sich nur hingebungsvoll für die eigene Gruppe einsetzten und die Konkurrenten von verfügbaren Wohltaten ausschlossen.“ Dass die Friedfertigen das Land besitzen, sei nur ein frommer Wunsch der Psalmendichter.

Erfolgreiche politische und religiöse Führer hätten immer gewusst, dass Krieg ihnen Vorteile verheißt, selbst wenn sie damit den Leitsätzen ihrer Religion widersprachen. „Das Christentum hat seit je die reine Liebe, sogar Feindesliebe gepredigt, aber tatsächlich heftige Kriege geführt. Der Islam, von seinen Anhängern oft militant als friedlichste Religion der Welt bezeichnet, ist gleich nach seiner Gründung vor allem durch erfolgreiche permanente Eroberungskriege bekanntgeworden.“ Nicht zufällig sei der historische Ehrentitel „der Große“ oft machtbesessenen Eroberern zugesprochen worden, von Alexander über Herodes und Konstantin bis hin zu Karl. Alle bedeutenden christlichen Herrscher der Antike wie des Mittelalters und der Neuzeit bis fast in die Gegenwart waren trotz ihres religiösen Anspruchs Kriegsherren.

Evolutionsbiologisch gesehen dienten Religion und Moral vor allem dazu, tiefe, gleichgeschaltete Gefühle zu entwickeln, die die Menschen innerlich bewegen, meint Verbeek. „Verstärkend wirkt eine starke Affinität zu metaphysischen Vorstellungen. Nationalismus und Rassismus, auch Klassenchauvinismus und religiöses Eiferertum sind deshalb von der Natur bereitgestellte Instrumente, auf denen Demagogen so erfolgreich spielen können. Moral ist im Gegensatz zu Erfolg für die Selektion kein Thema, wird es aber sofort, wenn sie ein Mittel zum Erfolg ist. Gruppen mit strenger Binnenmoral waren unschlagbar. Wer jeweils zu ‚meiner‘ Gruppe gehört, lässt sich aber bei größer werdenden Populationen nicht mehr über die tatsächliche Verwandtschaft und persönliche Bekanntschaft verfolgen. Da braucht es kulturelle Merkmale: Vor allem Sprache wird als Ausweis wichtig, auch die Religion, die Wertegemeinschaft, bestimmte Parolen und Kleidungsstücke und natürlich Fahnen.“

Dies alles sei das Ergebnis eines langen evolutionären Prozesses, aber deshalb noch lange nicht gut. Die einzige Chance für das Kulturwesen Mensch bestehe darin, sich diese genetisch-kulturellen Prägungen immer wieder bewusst zu machen, um nicht in stereotype „natürliche“ Muster zu fallen, sondern gegenzusteuern. „Kulturelle Evolution kann sich blitzschnell auch ‚horizontal‘ ausbreiten… Unmengen von Erfahrungen können schriftlich und heute auch digital kumuliert und verknüpft werden. Kultur ist das Rezept, das uns Menschen nach langsamer Anlaufphase in wenigen Jahrtausenden zum erfolgreichsten Säugetier gemacht hat - allerdings mit gefährlichen Nebenwirkungen.“

Die Konflikte in der Ukraine wirken wie ein aktueller Beweis für die Sicht des Evolutionsbiologen. Wladimir Putin, der auf der Krim und in der Ostukraine die separatistische Kriegstreiberei mitunterstützt und mitinitiiert hat, sucht gleichzeitig den Schulterschluss mit den höchsten Repräsentanten der russischen orthodoxen Kirche und lässt dies medial verbreiten. Auch in Kiew organisiert der Staat kirchliche Rückendeckung.

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