Roboter Im Park der neuen Menschen

Sie sehen aus wie Menschen, fühlen wie Menschen, aber sie sind Roboter - oder doch schon mehr? Die Fernsehserie „Westworld“ spielt das Menschsein der Zukunft.

Jungen wollen Cowboys sein - egal, wie alt sie sind. Vielleicht gibt es deshalb ja tatsächlich einmal einen Freizeitpark wie in der neuen Fernsehserie „Westworld“. Wer das nötige Kleingeld hat, kann sich dort in den Wilden Westen versetzen lassen. Und zwar richtig: Die Besucher des Parks leben all ihre Phantasien aus. Sie können sich gehen lassen, vor allem in gewalttätiger und sexueller Hinsicht. Beim ersten Mal sei er noch „ein Guter“ gewesen, erzählt ein Gast in der ersten Folge. Da habe er den Park zusammen mit seiner Familie besucht. Man sei fischen gegangen und habe in den Bergen nach Gold gesucht, ein harmloser Ausflug in den Wilden Westen eben. Doch beim nächsten Aufenthalt habe er Frau und Kinder zuhause gelassen. „Da kam ich alleine und war total böse - die zwei besten Wochen meines Lebens.“

All die Eskapaden - im religiösen Sinn würde man von Sünden sprechen - bleiben für die Besucher folgenlos. So lautet zumindest das Versprechen der Park-Betreiber: „Leben ohne Limits“. Denn egal, ob man auf offener Straße jemanden erschießt oder sich an einer Frau vergeht - es ist letztlich nicht echt. Untereinander können sich die Besucher keinen Schaden zufügen. Ihre „Opfer“ sind immer Roboter, die den Park bevölkern. Die sind zwar nach dem Vorbild von Menschen gebaut - es spritzt sehr viel Theaterblut -, letztlich bleiben sie aber Maschinen. Jeder beschädigte Android wird über Nacht repariert, seine Daten werden gelöscht - und schon steht er den Besuchern wieder für neue Exzesse bereit.

Anfang der siebziger Jahre erfand der amerikanische Regisseur und Autor Michael Crichton (1942-2008) diese Geschichte, die auch der aktuellen Serie zugrunde liegt. Er erzählte sie zunächst in einem Buch, dann in einem Kinofilm. Die Handlung war zwar spannend, aber doch auch naheliegend: Durch einen Systemfehler ist einer der Roboter plötzlich nicht mehr nur das Opfer, sondern er wehrt sich. Er greift die Parkbesucher an, was von seiner Programmierung her eigentlich unmöglich sein sollte. Buch und Film ließen sich damit als Widerspruch gegen die Technikbegeisterung der damaligen Zeit lesen. Und auch Gesellschaftskritik wurde formuliert: Menschen, die sich unterhalten, indem sie derart niedere Instinkte befriedigen, amüsieren sich letztlich zu Tode. In abgewandelter Form wiederholte ­Crichton dieses Motiv dann mit seinem Dinosaurier-Erlebnis „Jurassic Park“.

Dann rufen wir Lazarus heraus

Um all diese Fragen geht es auch jetzt, wenn mehr als vier Jahrzehnte später die Geschichte von „Westworld“ neu erzählt wird: als Fernsehserie, was die Amerikaner ja meisterhaft können. Dieser romanhafte, viel weiter ausgreifende Ansatz tut dem Stoff gut. Die Handlung ist deutlich vielschichtiger als das Original, sie hat an Tiefe und Ernsthaftigkeit gewonnen. Und sie macht das, was Kunst in ihren besten Augenblicken kann: Sie greift aktuelle Entwicklungen auf, führt sie auf ihren Kern zurück und reflektiert diesen.

Was macht unser Menschsein aus? Um diese große Frage geht es im neuen „Westworld“. Da sind zum Beispiel die Entwickler, die besonders menschenähnliche Roboter bauen wollen. Die Androiden sollen möglichst die ganze Bandbreite an Gefühlen und Regungen zeigen. Einen anderen Plan verfolgt Robert Ford, einer der Gründer des Parks (glänzend gespielt von Anthony Hopkins). Er arbeitet daran, einen neuen Typ Mensch zu schaffen, frei von „schlechten“ Gefühlen, letztlich auch von Leid und Tod. „Eines Tages rufen wir Lazarus aus seiner Höhle“, sagt er. Und dann ist da noch der Betreiber-Konzern, der nochmals ein anderes Spiel spielt.

So ist es kein Wunder, dass auch in der Serie die Sache langsam aus dem Ruder läuft. Ein fehlerhaftes Update hat zur Folge, dass die Androiden bei der nächtlichen Wartung nicht mehr komplett neu formatiert werden. Plötzlich „erinnern“ sie sich: an frühere „Leben“ im Park, an all die Grausamkeiten, welche die Besucher ihnen antun. Mehr und mehr entwickeln sie ein Bewusstsein. Es gibt immer öfter Fehlfunktionen, die Maschinen handeln nicht mehr nur genau so, wie sie programmiert wurden. Schließlich lehnen sie sich gegen ihr „Schicksal“ auf. Sie wollen - da sind sie den Menschen im Park ganz ähnlich - aus ihrer „Storyline“, also aus ihrer vorgegebenen Lebensgeschichte, ausbrechen „Ich werde keine Puppe in einer Fantasiewelt mehr sein“, sagt die Roboterfrau Maeve (Thandie Newton).

Für den Zuschauer ist das Ganze ein packendes Verwirrspiel. Nicht immer ist klar, ob er gerade einen Menschen oder eine intelligente Maschine vor sich hat. Und selbst wenn er es weiß, werden überraschende Pointen gesetzt. So verliebt sich der Besucher William (Jimmi Simpson) in Dolores (Evan Rachel Wood), obwohl er weiß, dass sie eine Androiden-Frau ist. Gemeinsam fliehen sie vor Bösewichten. Als sie auf einen Roboter-Gangster treffen, der im „Sterben“ liegt, ist es Dolores, die ihm einen Schluck des knappen Wassers reicht. „Was für Menschen wären wir, wenn wir ihn leiden lassen würden!“ Bemerkenswert sind darüber hinaus die vielen religiösen Anspielungen, etwa wenn Ford erklärt, er habe seine neuen Menschen „nach seinem Abbild erschaffen“.

Angesichts der tatsächlichen Entwicklungen in den Bio- und Humanwissenschaften, angesichts neuer digitaler Technologien und der Verbindung von beidem ist das Szenario von „Westworld“ gar nicht so ganz weit weg. Elon Musk beispielsweise, der Gründer des Elektro-Autobauers Tesla, träumt davon, Menschen und Maschinen zu Mischwesen zu verbinden. Genau darin sehen sogenannte Transhumanisten den nächsten spektakulären Schritt der Evolution. Werden wir dann noch Menschen sein? Oder Menschen eines neuen Typs?

Im Park der neuen Menschen

Sie sehen aus wie Menschen, fühlen wie Menschen, aber sie sind Roboter - oder doch schon mehr? Die Fernsehserie „Westworld“ spielt das Menschsein der Zukunft.

Jungen wollen Cowboys sein - egal, wie alt sie sind. Vielleicht gibt es deshalb ja tatsächlich einmal einen Freizeitpark wie in der neuen Fernsehserie „Westworld“. Wer das nötige Kleingeld hat, kann sich dort in den Wilden Westen versetzen lassen. Und zwar richtig: Die Besucher des Parks leben all ihre Phantasien aus. Sie können sich gehen lassen, vor allem in gewalttätiger und sexueller Hinsicht. Beim ersten Mal sei er noch „ein Guter“ gewesen, erzählt ein Gast in der ersten Folge. Da habe er den Park zusammen mit seiner Familie besucht. Man sei fischen gegangen und habe in den Bergen nach Gold gesucht, ein harmloser Ausflug in den Wilden Westen eben. Doch beim nächsten Aufenthalt habe er Frau und Kinder zuhause gelassen. „Da kam ich alleine und war total böse - die zwei besten Wochen meines Lebens.“

All die Eskapaden - im religiösen Sinn würde man von Sünden sprechen - bleiben für die Besucher folgenlos. So lautet zumindest das Versprechen der Park-Betreiber: „Leben ohne Limits“. Denn egal, ob man auf offener Straße jemanden erschießt oder sich an einer Frau vergeht - es ist letztlich nicht echt. Untereinander können sich die Besucher keinen Schaden zufügen. Ihre „Opfer“ sind immer Roboter, die den Park bevölkern. Die sind zwar nach dem Vorbild von Menschen gebaut - es spritzt sehr viel Theaterblut -, letztlich bleiben sie aber Maschinen. Jeder beschädigte Android wird über Nacht repariert, seine Daten werden gelöscht - und schon steht er den Besuchern wieder für neue Exzesse bereit.

Anfang der siebziger Jahre erfand der amerikanische Regisseur und Autor Michael Crichton (1942-2008) diese Geschichte, die auch der aktuellen Serie zugrunde liegt. Er erzählte sie zunächst in einem Buch, dann in einem Kinofilm. Die Handlung war zwar spannend, aber doch auch naheliegend: Durch einen Systemfehler ist einer der Roboter plötzlich nicht mehr nur das Opfer, sondern er wehrt sich. Er greift die Parkbesucher an, was von seiner Programmierung her eigentlich unmöglich sein sollte. Buch und Film ließen sich damit als Widerspruch gegen die Technikbegeisterung der damaligen Zeit lesen. Und auch Gesellschaftskritik wurde formuliert: Menschen, die sich unterhalten, indem sie derart niedere Instinkte befriedigen, amüsieren sich letztlich zu Tode. In abgewandelter Form wiederholte ­Crichton dieses Motiv dann mit seinem Dinosaurier-Erlebnis „Jurassic Park“.

Dann rufen wir Lazarus heraus

Um all diese Fragen geht es auch jetzt, wenn mehr als vier Jahrzehnte später die Geschichte von „Westworld“ neu erzählt wird: als Fernsehserie, was die Amerikaner ja meisterhaft können. Dieser romanhafte, viel weiter ausgreifende Ansatz tut dem Stoff gut. Die Handlung ist deutlich vielschichtiger als das Original, sie hat an Tiefe und Ernsthaftigkeit gewonnen. Und sie macht das, was Kunst in ihren besten Augenblicken kann: Sie greift aktuelle Entwicklungen auf, führt sie auf ihren Kern zurück und reflektiert diesen.

Was macht unser Menschsein aus? Um diese große Frage geht es im neuen „Westworld“. Da sind zum Beispiel die Entwickler, die besonders menschenähnliche Roboter bauen wollen. Die Androiden sollen möglichst die ganze Bandbreite an Gefühlen und Regungen zeigen. Einen anderen Plan verfolgt Robert Ford, einer der Gründer des Parks (glänzend gespielt von Anthony Hopkins). Er arbeitet daran, einen neuen Typ Mensch zu schaffen, frei von „schlechten“ Gefühlen, letztlich auch von Leid und Tod. „Eines Tages rufen wir Lazarus aus seiner Höhle“, sagt er. Und dann ist da noch der Betreiber-Konzern, der nochmals ein anderes Spiel spielt.

So ist es kein Wunder, dass auch in der Serie die Sache langsam aus dem Ruder läuft. Ein fehlerhaftes Update hat zur Folge, dass die Androiden bei der nächtlichen Wartung nicht mehr komplett neu formatiert werden. Plötzlich „erinnern“ sie sich: an frühere „Leben“ im Park, an all die Grausamkeiten, welche die Besucher ihnen antun. Mehr und mehr entwickeln sie ein Bewusstsein. Es gibt immer öfter Fehlfunktionen, die Maschinen handeln nicht mehr nur genau so, wie sie programmiert wurden. Schließlich lehnen sie sich gegen ihr „Schicksal“ auf. Sie wollen - da sind sie den Menschen im Park ganz ähnlich - aus ihrer „Storyline“, also aus ihrer vorgegebenen Lebensgeschichte, ausbrechen „Ich werde keine Puppe in einer Fantasiewelt mehr sein“, sagt die Roboterfrau Maeve (Thandie Newton).

Für den Zuschauer ist das Ganze ein packendes Verwirrspiel. Nicht immer ist klar, ob er gerade einen Menschen oder eine intelligente Maschine vor sich hat. Und selbst wenn er es weiß, werden überraschende Pointen gesetzt. So verliebt sich der Besucher William (Jimmi Simpson) in Dolores (Evan Rachel Wood), obwohl er weiß, dass sie eine Androiden-Frau ist. Gemeinsam fliehen sie vor Bösewichten. Als sie auf einen Roboter-Gangster treffen, der im „Sterben“ liegt, ist es Dolores, die ihm einen Schluck des knappen Wassers reicht. „Was für Menschen wären wir, wenn wir ihn leiden lassen würden!“ Bemerkenswert sind darüber hinaus die vielen religiösen Anspielungen, etwa wenn Ford erklärt, er habe seine neuen Menschen „nach seinem Abbild erschaffen“.

Angesichts der tatsächlichen Entwicklungen in den Bio- und Humanwissenschaften, angesichts neuer digitaler Technologien und der Verbindung von beidem ist das Szenario von „Westworld“ gar nicht so ganz weit weg. Elon Musk beispielsweise, der Gründer des Elektro-Autobauers Tesla, träumt davon, Menschen und Maschinen zu Mischwesen zu verbinden. Genau darin sehen sogenannte Transhumanisten den nächsten spektakulären Schritt der Evolution. Werden wir dann noch Menschen sein? Oder Menschen eines neuen Typs?

Die Erstausstrahlung von „Westworld“ erfolgte bei dem Bezahlsender Sky Atlantic. Jetzt kann man die Serie bei Amazon Video im Internet kaufen.

Anzeige: In der Tiefe der Wüste. Perspektiven für Gottes Volk heute. Von Michael Gerber

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