Mohammed-VideoWehret den Anfängen

Das aktuelle bösartige Mohammed-Video wirft die Frage nach Würde und Ehre des Religiösen auf - besonders auch für den christlichen Glauben.

Die Muslim-Proteste gegen die Schmähung ihres Religionsgründers und ihres Glaubens sollten auch die westlichen Gesellschaften nachdenklich machen. Welche Würde hat noch unsere eigene Religion? Was sind die Würde und die Ehre der Christen?

Der emotionale Flächenbrand, den Filmsequenzen ausgelöst haben, die auf bösartige satirische Weise Mohammed und seinen Lebenswandel karikieren, kann niemanden überraschen. Denn der Radikal-Islam hat sich inzwischen in alle Weltgegenden ausgebreitet. Die militanten Gruppierungen, die sich nach vielfältiger Infiltration inzwischen sogar in nicht-islamischen Gesellschaften festgesetzt haben, arbeiten dezentral, aber hervorragend organisiert und effektiv miteinander vernetzt. Die Muslim-Extremisten aller Länder reagieren gemeinsam sofort auf Ereignisse wie jetzt. Ihre Führungskader finden überall leicht einen aufhetzbaren Mob, um der Unzufriedenheit, dem Zorn über Ungerechtigkeit und unerfülltes Leben Luft zu verschaffen.

Unklar bleibt, wie echt die vor den Fernsehkameras der internationalen Netzwerke inszenierte Empörung ist. So viele amerikanische Flaggen, wie von heute auf morgen angeblich spontan in Massen verbrannt werden, können so rasch gar nicht produziert worden sein. Wie kommen sie in die Hände der Wütenden im arabischen Kulturkreis und darüber hinaus? Als das Hoheitsschild der deutschen Botschaft im sudanischen Khartum zertrampelt wurde, stand seltsamerweise ein Kameramann wie zufällig direkt davor, mit freiem Blick auf die Füße. Womöglich nichts als Fake, Betrug, regisseurartig orchestrierte Theatralik? Dieser Eindruck jedenfalls drängt sich auf. Die Medien organisieren allein schon durch ihre Präsenz mit, was sie zeigen wollen - eine medial stimulierte Dramaturgie, die es nicht gäbe, wenn es kein Fernsehen, kein Internet gäbe. Wirklichkeit ist im Zeitalter der Wende zum Bild nicht das, was Realität ist, sondern was zur Realität gemacht wird. Aber keine Kamera wendet sich im selben Augenblick weg von den Protestmuslimen auf jene Abermillionen Muslime, die friedlich sind, ganz und gar unerregt - die gar nichts zu tun haben mit den Gewaltfanatikern, die obendrein das anti-islamische Machwerk gar nicht gesehen haben dürften.

Zur Deutung der gegenwärtigen Konflikte erhält Samuel Huntingtons grobschlächtige Prognose eines Kampfes der Kulturen jetzt wieder Auftrieb. Allerdings handelt es sich eher um einen Zusammenprall westlicher Kultur mit islamischer Subkultur. Denn die islamische Kulturwelt geht in dem, was Extremisten und Terroristen als „islamisch“ anbieten, gewiss nicht auf.

Heilige Meinungsfreiheit?

Dennoch sind der globale islamische Extremismus und Terrorismus, die sich über viele verzweifelte zornige Männer anbahnen, nicht zu unterschätzen. Denn viele dieser jungen Leute sehen in den allzu lange von korrupten islamischen Cliquen geführten Ländern selbst nach dem „Arabischen Frühling“ für sich keinen Frühling. Vielen Migranten oder Konvertiten in reichen Ländern wiederum fehlen Wille, Ehrgeiz und Energie, etwas aus den ihnen gebotenen Chancen zu machen. Gewisse kulturell vorgeprägte Mentalitätshemmnisse scheinen dabei durchaus eine Rolle zu spielen, verstärkt dadurch, dass manches Nichtstun mit umso mehr Männlichkeitsgehabe auch noch sozialstaatlich „gepampert“ wird.

Wenn der deutsche Außenminister nun heldenhaft tönt, dass er nicht hinnehmen werde, einen amerikanischen „Hassprediger“, der als sogenannter Pastor für die aktuelle Polemik gegen den Islam mitverantwortlich sein soll, einreisen zu lassen, fragt man sich: Wieso kamen dann so viele salafistische und sonstige Hetzer-Imame schon lange vorher zu uns ins Land? Unter der Bevölkerung, die sich eines starken Rechts- und Sozialstaates sicher ist, wird die politisch-soziale Dimension der weltweit schleichenden militanten Islamisierung offenbar immer noch unterschätzt.

In den Medien drehte sich die Debatte zuletzt vorwiegend um die Frage, was Blasphemie sei und wie viel Blasphemie im Namen der Meinungsfreiheit erlaubt sein müsse. Dabei wirken manche Einschätzungen besonders kurios oder strotzen nur so vor Doppelmoral: etwa wenn eine Frontfrau der Grünen das Vorführen des Mohammed-Videos verbieten lassen will, die antikirchliche und antichristliche Hetze etwa der russischen Pussy-Riot-Leute aber anscheinend als politischen Protest toleriert wissen möchte. Wo hörte man in Deutschland einen auch nur annähernd vergleichbaren Aufschrei gegen das Machwerk jener Frauen in der Moskauer Christus-Erlöser-Kathedrale? Wo gab es eine vergleichbare Solidarisierung führender Politiker der Bundesrepublik mit religiös verletzten orthodoxen Glaubensgeschwistern, ähnlich der Solidarisierung jetzt mit gekränkten Muslimen?

Die „Stuttgarter Zeitung“ schrieb zum Mohammed-Video: „Auf gar keinen Fall … dürfen wir einknicken und das uns heilige Gut der Meinungsfreiheit beschränken … Es kann nicht sein, dass wir hier über den Papst lästern und lachen, ein schmutziges Filmchen über den Propheten Mohammed aber … rücksichtsvoll verbieten. Wir sind hier doch nicht in Mekka oder Medina, wir sind in Europas aufgeklärter und freiheitlicher Mitte.“ Der Artikel zeigt, wie weit bereits in unseren Medien die Begrifflichkeiten verschoben sind. Heilig ist plötzlich nicht mehr das alleinig transzendent Heilige Gottes, sondern etwas - vom sakralen Gottesrecht für das göttliche Ebenbild Mensch - Abgeleitetes, Relatives: die Meinungsfreiheit. Besonders seltsam ist, wie gedankenlos sich durchgehend die Rede vom „Propheten“ Mohammed eingebürgert hat. Mohammed aber ist aus hiesiger christlicher Sicht kein Prophet. Wie kommt es, dass sich sogar kritische Journalisten derart naiv bereits die muslimische Redeweise zu eigen gemacht haben, während sie sonst etwa in Fernsehnachrichten zu kirchlichen Hochfesten stets betont distanziert erklären: „Die Christen feiern an diesem Tag …“

Ist uns Religion noch was wert?

Heruntergespielt wird außerdem die von den Provokateuren bewusst so gewollte Gotteslästerung mit der Begründung, Gott könne doch gar nicht beleidigt werden. Woher wollen Menschen das wissen, wenn sie doch nicht einmal wissen, wer, was Gott sei? Nur aus der anthropozentrischen Sicht menschlicher Logik und menschlichen Analogiedenkens kann man überhaupt über Gott reden. Daher sollte man die blasphemische Schmähung des Heiligsten beim Namen nennen und bewerten als das, was damit beabsichtigt ist: nichts anderes als Blasphemie. Was „Gott“ darüber „meint“, ist nicht unsere Sache. Wohl aber, was Menschen meinen, die mit der Gotteslästerung bewusst Gott und die Gläubigen treffen wollen.

Vereinzelt ist darauf hingewiesen worden, dass es in der jüdischen wie christlichen Überlieferungsgeschichte immer wieder Lästerung Gottes und seines Namens gab, das Fluchen gegen Gott, das Aufbegehren, den Protest gegen den Erhabenen. Der klassische Aufruhr gläubiger Menschen gegen Gott, das Schimpfen auf Gott geschah jedoch nicht aus dem Grund, Gott lächerlich oder verächtlich zu machen, sondern aus Verzweiflung darüber, dass der vermeintlich gute und gerechte Gott schweigt, abwesend ist, nicht hilft, dass die Welt „absurd“ ist. Diese Art des dramatisch gesteigerten Protestes entsprang dem Glauben aus Furcht, in Unglauben zu fallen. Mit der betont gegen den Glauben gerichteten ungläubigen Blasphemie heutiger Machart hat das gar nichts zu tun. Wie bei Hiob kommt der Aufschrei aus dem enttäuschten Vertrauen, das man in Gott gesetzt hatte. Gegen Gott streiten mit Gott.

Die blasphemischen Attacken gegen den Islam fordern ebenso die Christen und die Bürger in Ländern ehemals christlicher Prägung heraus. Warum sind wir derart leidenschaftslos geworden, dass wir uns religiöse Beleidigungen einfach so gefallen lassen? Ist es Feigheit, Trägheit - oder ist die ureigene Religion vielen schlichtweg nichts mehr wert, als dass sich das Streiten dafür lohnte? Sogar die Kirchenführer scheinen panische Angst davor zu haben, einmal Gerichtsverfahren gegen antireligiöse Volksverhetzung und Angriffe auf die Religion durch alle Instanzen durchzuziehen. Neulich wurde ein Verfahren gegen die Satirezeitschrift „Titanic“, die aufs Schwerste den Papst und mit ihm als Symbol der Repräsentanz Christi den Glauben vieler Menschen herabgesetzt hatte, in letzter Minute vom Vatikan abgeblasen - offenbar aus Furcht, man könne den Prozess verlieren oder noch mehr Aufsehen auf die Gotteslästerer lenken. Taktik und Appeasement angesichts der neu aufziehenden Wellen von Blasphemie wecken allerdings nur den Eindruck, dass die Christen und mit ihnen die westlichen Gesellschaften unfähig sind, sich und ihre heiligsten Anliegen noch zu verteidigen. Im Dialog der Kulturen gerade mit dem Islam ist das ein verhängnisvolles Signal der Schwäche.

Klare Gesetze - kaum angewandt

Wer aber außer der Amtskirche hätte die Möglichkeit und die juridischen Mittel, einmal die Probe aufs Exempel zu machen, wie weit unser Grundgesetz und wie weit unser Strafrecht eigentlich noch gilt - ob Recht wirklich noch Recht ist oder ob es in religiösen Dingen zur Phrase erstarrt, nicht einmal das Papier wert ist, auf dem es steht? Es geht dabei letzten Endes nicht nur um Religion, sondern auch um den Schutz des säkularen Rechtsstaats.

Dabei sind die gesetzlichen Regelungen in Deutschland klar formuliert und eindeutig, selbst wenn sie faktisch nicht mehr angewendet werden. Im Grundgesetz, Artikel 5, heißt es: „(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ Entsprechend sind im Strafgesetzbuch in Bezug auf die Religion zwei Paragraphen entscheidend. Paragraph 130 beschreibt den Tatbestand der Volksverhetzung: „(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, 1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder 2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. Schriften (§ 11 Absatz 3), die zum Hass gegen eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder ihre Menschenwürde dadurch angreifen, dass sie beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden, a) verbreitet, b) öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht, c) einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überlässt oder zugänglich macht oder d) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Buchstaben a bis c zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder 2. eine Darbietung des in Nummer 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet.“

Paragraph 166 wendet sich gegen die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschaungsvereinigungen: „(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“ Ergänzend befasst sich Paragraph 167 mit der Störung der Religionsausübung: „(1) Wer 1. den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Reli­gions­gesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder 2. an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.“

Das Bürgerrecht Ehre

Können, sollen, müssen sich Christen alles gefallen lassen, obwohl auch sie freie Bürger in einem freien Rechtsstaat sind - mit entsprechenden Bürgerrechten? Ähnlich den politisch-ideologischen Formen der Volksverhetzung müsste endlich auch in religiöser Hinsicht das Bewusstsein der Gesellschaft wachsen: Wehret den Anfängen! Mit allen Mitteln des Rechts ist auch gegen die Verunglimpfung in Sachen Religion vorzugehen. Denn auch die Religion hat eine Würde: dadurch, dass das Heilige - durchaus in einem kritischen Glauben - gepflegt wird und dass es pfleglich behandelt, respektiert wird selbst durch die, denen es nicht heilig ist.

Nicht zuletzt haben auch Christen eine persönliche Ehre und ein Recht auf ihre persönliche Ehre. Sie sollen diese selbstbewusst zum Ausdruck bringen, aber ohne den in manchen Kulturen verbreiteten gockelhaften Männlichkeitsstolz, der sich bei jeder Kleinigkeit gekränkt sieht. Am schlimmsten wird Gott allerdings nicht durch antireligiöse Hetzer beleidigt, sondern durch jene, die ausgerechnet im Namen Gottes/Allahs Gewalt ausüben, Menschen quälen oder vernichten. Die übelste Blasphemie kommt seit jeher von innen, von dort, wo es die „frömmsten“ Gottesverteidiger, die dafür zum Gottesterror greifen, nicht vermuten.

Anzeige: In der Tiefe der Wüste. Perspektiven für Gottes Volk heute. Von Michael Gerber

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