Christliche SpiritualitätGeistererfahrung

Der indische Jesuit und Kontemplationslehrer Sebastian Painadath meditiert in der Fastenzeit das Schreiben von Papst Franziskus "Evangelii Gaudium": über einige Grundaspekte christlicher Spiritualität.

Jesus Christus in uns erfahren bedeutet, vom Geist Christi geführt zu werden. Der auferstandene Christus, der Letzte Adam, ist der lebendig machende Geist (1 Kor 15,45). Papst Franziskus stellt im Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ einige Grundaspekte christlicher Spiritualität dar.

Der Ausgangspunkt ist, dass „jeder Mensch bis zum Herzen Gottes erhöht worden ist“. Unser volles Menschsein erreichen wir, „wenn wir mehr als nur menschlich sind, wenn wir Gott erlauben, uns über uns selbst hinauszuführen, damit wir zu unserem eigentlicheren Sein gelangen“. Dafür ist es notwendig, einen „inneren Raum“ zu pflegen, damit wir erkennen, zu welcher Freiheit und Freude wir in Christus berufen sind. „Es gibt … keine größere Freiheit, als sich vom Heiligen Geist tragen zu lassen, … und zu erlauben, dass er uns erleuchtet, uns führt, uns Orientierung gibt und uns treibt, wohin er will.“

Weil wir nach dem Bild der göttlichen Gemeinschaft erschaffen sind, verwirklichen wir uns nur in Bezug auf die Gemeinschaft. Das „Aus-sich-Herausgehen auf den Mitmenschen zu“ hat daher Vorrang. Der Papst bezeichnet es als „die mystische, kontemplative Brüderlichkeit“, die die heilige Größe des Nächsten zu sehen weiß. Sie weiß in jedem Menschen Gott zu entdecken, die Lästigkeiten des Zusammenlebens zu ertragen, „indem sie sich an die Liebe Gottes klammert“. Sie versteht auch, das Herz für die göttliche Liebe zu öffnen, um das Glück des anderen zu suchen. „Die echte Liebe ist immer kontemplativ.“

Eine Spiritualität ohne Gemeinwohl hingegen ist fragwürdig. Darum stellt Franziskus I. jede Form moderner spiritueller Strömung infrage, die die Religion einzig „in das vertrauliche Innenleben der Menschen verbannt“ oder eine reine individuelle Spiritualität des Wohlbefindens vertritt, die den in der Immanenz der eigenen Vernunft eingeschlossenen Glauben hochschätzt oder nach „einer vermeintlichen doktrinellen oder disziplinarischen Sicherheit“ strebt. Andererseits jedoch ist er auch kritisch gegenüber einer Religiosität, die zu stark an festgefahrenen Formen und Ämtern hängt. Eine zur Schau gestellte Pflege der Liturgie, der Lehre und des Ansehens der Kirche verwandelt das Leben der Kirche „in ein Museumsstück oder in ein Eigentum einiger weniger“.

Mit seiner lateinamerikanischen Sensibilität vertritt Papst Franziskus eine Spiritualität, die Menschen „heilt, sie befreit, sie mit Leben und Frieden erfüllt“ und sie zugleich „zum solidarischen Miteinander und zur missionarischen Fruchtbarkeit ruft“. Konkret bedeutet es: „Jesus im Gesicht der anderen, in ihrer Stimme, in ihren Bitten zu erkennen“. Dies ist die eigentliche Frucht christlicher Mystik. In diesem Sinne „spüren wir die Herausforderung, die ‚Mystik‘ zu entdecken und weiterzugeben, die darin liegt, zusammenzuleben, uns unter die anderen zu mischen“.

Mit Freude teilen wir unser Leben mit den anderen. „Das Leben wird reicher, wenn man es hingibt.“ Die größte Freude erfahren jene, „die sich nicht um jeden Preis absichern, sondern sich vielmehr leidenschaftlich dazu gesandt wissen, anderen Leben zu geben“, so die lateinamerikanischen Bischöfe bei ihrer Versammlung 2007 im brasilianischen Wallfahrtsort Aparecida. Wir erfahren diese Freude „in den kleinen Dingen des Alltags“. Wir schöpfen sie auf verschiedene Weise „aus der Quelle der stets größeren Liebe Gottes“. Papst Franziskus bedauert, dass es Christen gibt, deren Lebensart „wie eine Fastenzeit ohne Ostern“ erscheint und die ständig ein Gesicht wie bei einer Beerdigung tragen. Das Heilsgeheimnis Jesu begann mit der Verkündigung der frohen Botschaft an die Welt (Lk 2,10) und führte zur Verheißung: „Niemand nimmt euch eure Freude“ (Joh 16,22).

Meditation: In Stille besinne ich mich auf die Erkenntnis: „Die echte Liebe ist immer kontemplativ.“

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