InkulturationJesus war kein Grieche

Damit die Kirche Weltkirche werden und auf die heutige Religionskritik antworten kann, müssen neue Inkulturationen des Christentums möglich werden - nach der Zeit der judenchristlichen und der hellenistischen Ausprägung.

In der Pfingstbericht der Apostelgeschichte heißt es: „Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden“ (2,4-6). Diese bildhafte Darstellung der von Jesus verheißenen Ausgießung des Heiligen Geistes beschreibt den Beginn des Wirkens der judenchristlichen Kirche, welche die erste und damals einzige Kirche war. Denn es waren nur Juden und Proselyten, also zum Judentum Hinzugekommene aus allen Völkern, darunter auch solche griechischer und arabischer Sprache, die sich damals angesprochen fühlten und von denen sich jene, die das Wort des Petrus annahmen, taufen ließen.

Bleibende Gleichberechtigung

Den ersten Schritt, über das Judentum hinaus Weltkirche zu werden, machte das Christentum laut dem Bericht in der Apostelgeschichte erst nach heftigen Auseinandersetzungen im sogenannten Apos­telkonzil. Damals gab die judenchristliche Gemeinde in Jerusalem ihren Anspruch auf, dass die Heiden sich beschneiden lassen und das ganze Gesetz des Mose übernehmen müssen, wenn sie Christen werden wollen. Entscheidend dafür waren der Bericht des Petrus, dass Gott den Heiden „ebenso wie uns den Heiligen Geist gab“ (Apg 15,8), sowie jener von Barnabas und Paulus, die erzählten, „welch große Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden getan hatte“ (15,12). Dadurch hat sich die Kirche für eine heidenchristliche Alternative des Glaubens geöffnet. Es kam zu zwei Kirchen, die sich in ihrem Glaubensverständnis wesentlich unterschieden, aber einander doch - wenn auch mit Konflikten (vgl. Gal 2,11-21) - in einer „versöhnten Verschiedenheit“ als christliche Glaubensgemeinschaften anerkannten.

Die judenchristliche Kirche bestand neben der griechisch geprägten noch einige Jahrhunderte. Der Kirchenhistoriker Norbert Brox (1935-2006) schrieb dazu: „Der Begriff ‚Judenchristentum‘ muss ausgeweitet werden und kann viel Wichtigeres aus der Kirchengeschichte in Erinnerung rufen als nur eine sektiererische Erstarrung oder Fehlleitung beziehungsweise eine archaische Frühform von Kirche. Es hat jüdisch orientierte Überlieferungen des Christentums gegeben, die weit über die Zeit des Urchristentums hinausreichten und nicht oder nur wenig hellenistisch beeinflusst waren: jüdische Wege der Auslegung des Christentums, die nicht über Nizäa und Chalkedon führten.“ In Nikaia (=Nizäa) und in Chalkedon, zwei Orten in Kleinasien, waren die für das heutige Christentum gültigen Dogmen über Jesus Christus definiert worden, die sich von der judenchristlichen Sicht unterscheiden.

Brox betonte demgegenüber vor allem den „Einfluss, den die jüdische Vorentscheidung im Gottesbegriff und den auch die messianischen Rahmenvorstellungen des Ju­dentums auf die Entfaltung der Christologie in solchen judenchristlichen Teilkirchen genommen haben“. Er lehnt es ab, diese dem jüdischen Denken entsprechenden Formen des Christentums als „archaisch“ zu bezeichnen. Denn andernfalls würde man „eine bestimmte Denkform und Philosophie (die hellenistische) absolut setzen, weil sie die gewohnte ist … Man muss es vermeiden, einen bestimmten Kulturkreis und seine Denkformen und Sprachmöglichkeiten mit der verbindlichen Identität des Christentums gleichzusetzen.“

Die durch das Apostelkonzil ermöglichte Inkulturation des christlichen Glaubens in die damalige heidnische, griechisch geprägte Welt hatte zu einer eigenständigen, theologisch verschiedenen Kirche neben dem Judenchristentum geführt. Das war ein erster Schritt hin zu einer Weltkirche, die nicht nur von einer Kultur geformt wird. Eine Zeit lang bestanden die beiden Kirchen nebeneinander. Doch dann erhielt die Theologie der griechisch geprägten Kirche, hinter der auch die Macht der oströmischen Kaiser stand, faktisch eine Monopolstellung. Das führte dazu, dass auch die ostsyrische Kirche, in der sich die judenchristliche Tradition am längsten erhalten hatte, im 5. Jahrhundert die Lehre des Konzils von Nizäa von der wesensgleichen Gottheit Jesu Christi übernahm.

Hellenistische Sicht als Dogma

Durch die dogmatischen Festlegungen auf den ersten Konzilien, deren Beschlüsse von den weltlichen Herrschern beeinflusst waren und durchgesetzt wurden, wurde das Christentum auf das hellenistische, ge­nauer gesagt: auf das wesentlich von der platonisch-idealistischen griechischen Phi­lo­sophie geprägte Glaubensverständnis fi­­xiert. Denn diese Dogmen wurden zu absolut gültigen und daher unveränderlichen Lehren erklärt, neben denen es für Christen keine andere Sichtweise geben dürfe. Damit beanspruchen die christlichen Kirchen, die sich auf diese Dogmen berufen, auch wenn sie inzwischen in anderen Fragen voneinander getrennt sind, jene Monopolstellung, die am Beginn das Judenchristentum hatte und auf dem Apostelkonzil zunächst zu verteidigen suchte, dann aber aufgab. Bis heute nehmen die hellenistisch geprägten Kirchen nicht zur Kenntnis, dass ihr Verständnis Jesu Christi und des Christentums nicht das einzig zulässige ist, dass es als eine zumindest dem Recht nach mögliche Alternative nach wie vor das Judenchristentum gibt.

In jener verengten Sicht vertrat Joseph Ratzinger / Benedikt XVI. in seiner Regensburger Rede „die These, dass das kritisch gereinigte griechische Erbe wesentlich zum christlichen Glauben gehört“. Früher schon nannte er das „Christentum … die in Jesus Christus vermittelte Synthese zwischen dem Glauben Israels und dem griechischen Geist“. Er legte damit indirekt nahe, dass der nicht griechisch geprägte Glaube Jesu Christi selbst und der Judenchristen noch kein vollwertiges Christentum gewesen sei. Demnach wäre das Judenchristentum nicht nur faktisch unbedeutend geworden, sondern überholt, was jedoch nicht im Sinne des Apostelkonzils ist.

Ein solcher Monopolanspruch einer historisch bedingten Gestalt des Heidenchristentums ist unzulässig. Es ist vielmehr nötig, dass die christlichen Kirchen sich auf ihre judenchristlichen Wurzeln zurückbesinnen und von da aus im Sinn des Apostelkonzils die Möglichkeit anderer Inkulturationen, die an ihren Ursprung anknüpfen, offenhalten. Der Theologe Karl Rahner (1904-1984) hat das angedacht.

Eine Vision Karl Rahners

In seinem Beitrag „Theologische Grundinterpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils“ (in: „Schriften zur Theologie“ 14) schrieb Rahner: „Das Zweite Vatikanische Konzil ist in einem ersten Ansatz, der sich erst tastend selber zu finden sucht, der erste amtliche Selbstvollzug der Kirche als Weltkirche.“ Er geht davon aus, dass bis zu diesem Konzil „das konkrete reale Tun der Kirche, trotz des damit gegebenen Widerspruchs zu ihrem Wesen, … das Tun einer Exportfirma war, die eine europäische Religion, ohne eigentlich diese Ware verändern zu wollen, in alle Welt exportierte wie ihre sonstige sich für überlegen haltende Kultur und Zivilisation.“

Um ein Argument für eine andere Vorgangsweise zu bringen, geht Rahner in die Geschichte der Kirche zurück, um mögliche Alternativen zu suchen. Er unterscheidet der Sache, wenn auch nicht der zeitlichen Dauer nach, „drei Großepochen, von denen die dritte eben erst begonnen und sich kirchenamtlich im Zweiten Vatikanum bemerkbar gemacht hat: 1. die kurze Periode des Juden-Christentums, 2. die Periode der Kirche in einem bestimmten Kulturkreis, nämlich des Hellenismus und der europäi­schen Kultur und Zivilisation, 3. die Perio­de, in der der Lebensraum der Kirche von vornherein die ganze Welt ist.“

Im Rückblick auf diese Entwicklungsphasen wollte Rahner „die These wagen, dass wir heute zum ersten Mal wieder in der Zeit einer solchen Zäsur leben, wie sie beim Übergang vom Juden-Christentum zum Heiden-Christentum gegeben war“. Daraus folgerte er: „Entweder sieht und anerkennt die Kirche diese wesentlichen Unterschiede der anderen Kulturen, in die hinein sie Weltkirche werden soll, und zieht aus dieser Anerkennung die notwendigen Konsequenzen mit einer paulinischen Kühnheit, oder sie bleibt westliche Kirche und verrät so letztlich den Sinn, den das Zweite Vatikanum gehabt hat.“

Karl Rahner hielt es also für angebracht, anlässlich des Übergangs zu einer Weltkirche wieder an den Einschnitt vor der hellenistischen Epoche des Christentums zurückzugehen, um von da aus auch andere Inkulturationen des Glaubens zu ermöglichen: „Die offene Frage ist doch die, ob die Kirche bei solchen geschichtlichen Zäsuren, wie der gemeinten zweiten, Möglichkeiten legitim wahrnehmen kann, von denen sie während der zweiten Großperiode nie Gebrauch gemacht hat … Bei dieser Aufgabe … wird wohl unter Berufung auf die Hierarchie der Wahrheiten, die das Konzil genannt hat, ein Rückgang auf die letzte Grundsubstanz der christlichen Botschaft notwendig sein, um von da aus in unbefangener Kreativität entsprechend der eigenen geschichtlichen Situation das Ganze des kirchlichen Glaubens neu zu formulieren“

Das Ansinnen Rahners, die hellenistische Inkulturation des Christentums nicht mehr als die einzig und absolut wahre anzusehen, sondern weltweit neue Inkulturationen zuzulassen, besagt letztlich, dass es auch heute noch möglich sein muss, wieder an das biblische Christentum anzuschließen, das noch nicht hellenistisch geprägt war. Das bedeutet natürlich nicht, das judenchristliche Glaubensverständnis eins zu eins zu übernehmen; aber die aus der jüdischen Tradition stammenden Christen verstanden die Bibel sicher besser als spätere Theologen, die sie im Sinn der griechischen, genauer gesagt: der platonischen Philosophie auslegten.

Im Zurückgehen zu jener ersten Zäsur wäre also eine neue Begegnung nicht nur mit dem Judentum, sondern auch mit anderen Religionen und Kulturen möglich. Denn die Geschichte zeigt, „dass das Christentum als westliche Exportware faktisch bisher bei den Hochkulturen des Ostens und in der Welt des Islams nicht angekommen ist … Niemand von uns kann sagen, wie genau, mit welcher Begrifflichkeit, unter welchen neuen Aspekten die alte Botschaft des Christentums in Asien, in Afrika, in den Gebieten des Islams, vielleicht auch in Südamerika, in Zukunft verkündet werden muss, damit diese Botschaft wirklich überall in der Welt präsent ist.“

Geschichtlichkeit der Dogmen

Solche neue Inkulturationen erfordern, dass die hellenistisch geprägte Gestalt des Christentums, die sich bis heute für die allein richtige und einzig gültige hält, ihren Absolutheitsanspruch aufgibt. Das bedeutet aber, dass auch ihre Dogmen, die als unfehlbare Wahrheiten ausgegeben wurden und werden, hinterfragt werden dürfen und müssen. Die Behauptung der Unfehlbarkeit von kirchlichen Lehren ist ohnehin nur in Form eines logischen Zirkelschlusses möglich, denn die Begründung der Unfehlbarkeit müsste selbst schon mit Unfehlbarkeit erfolgen, würde diese also bereits voraussetzen.

Die Dogmen sind als geschichtlich entstandene und daher auch zeitbedingt beeinflusste Lehren anzusehen, die ähnlich wie die Bibel historisch-kritisch ausgelegt werden müssen. Auch dazu hat Karl Rahner in einem Beitrag unter dem Titel „Dogmen- und Theologiegeschichte von gestern für morgen“ (in: „Schriften zur Theologie“ 13) grundlegende Überlegungen angestellt. Er schreibt zu dieser Geschichtlichkeit der Dogmen und den Folgen daraus: „Auch dogmatisch schlechthin verbindliche Wahr­heiten können unter faktisch Mitgedachtem, unter Vorstellungsmodellen und wie selbstverständlich mittradierten Verstehensweisen ausgesagt und tradiert werden, die bei einer solchen Aussage ungeschieden und wie selbstverständlich mit­überliefert werden und sich später dann durchaus als nichtverbindlich oder sogar als falsch herausstellen … Es gibt solche Amalgame (Verschmelzungen; d. Red.); sie sind bei der Geschichtlichkeit der Wahrheit gar nicht vermeidbar.“

Was für die Auslegung der Bibel gilt, betrifft also auch die Interpretation der Dogmen: „Die Regeln der biblischen Hermeneutik (Verstehenstheorie; d. Red.), die seit der Aufklärung langsam ins reflexe Bewusstsein der Kirche gekommen sind und heute nach einer langen und schwierigen Entwicklung auch vom Lehramt der Kirche ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt worden sind, müssen auch … als Regeln der Interpretation der Lehren des späteren Lehramtes gesehen und anerkannt werden.“ Für die Zukunft „wird man nicht daran zweifeln können, dass auch die Glaubens- und Dogmengeschichte der Kirche Veränderungen mit sich bringen wird, die wir uns heute noch kaum vorstellen können“.

Was Karl Rahner hier für nötig hält, ist also nicht nur eine „Relecture“, sondern eine Revision, laut Duden eine „prüfende Wiederdurchsicht“, der kirchlichen Lehre, die auch zu inhaltlichen Änderungen führen kann. Denn „Dogmengeschichte kann auch in Zukunft unter erheblicher Revision früherer kirchenlehramtlicher (authentischer) Erklärungen verlaufen“.

Andere Inkulturation in Europa

Was Rahner allerdings in diese Überlegungen nicht einbezog, war die Frage, ob nicht auch an die Stelle der von ihm als westlich oder europäisch bezeichneten Gestalt der Kirche, die durch die Hellenisation des Christentums entstanden ist, eine auf anderen Verstehensvoraussetzungen beruhende Inkulturation des Glaubens treten müsste. Mit anderen Worten: Ist nicht das von der platonisch-idealistischen Philosophie geprägte Glaubens- und Selbstverständnis dieser Kirche durch die Krise seiner metaphysischen Voraussetzungen so fragwürdig geworden, dass es durch eine bessere theologische Grundlegung ersetzt werden muss, die der Religionskritik standhält und den Menschen von heute vermittelbar ist? Denn die hellenistische Version des Christentums ist mit der wesentlich geänderten geistig-kulturellen Basis der Moderne und Spätmoderne nicht mehr vereinbar. Das erfordert auch in den traditionell christlichen Ländern ein neues, kritisch geläutertes Verständnis des Glaubens.

Vermutlich hat Karl Rahner dieses Problem nicht gesehen, weil er in seiner idealistischen Metaphysik davon ausging, dass der Mensch als Geistwesen des Unendlichen und damit Gottes fähig sei und daher in seinem vorrationalen, transzendentalen Wissen immer schon um Gott und um seine Bestimmung zur Gemeinschaft mit Gott weiß, also quer durch alle Kulturen einen Zugang zum christlichen Glauben hat. Dementsprechend war er überzeugt, dass alle Menschen guten Willens „anonyme Christen“ sind, auch wenn sie anderen Religionen angehören oder sich ausdrücklich für Atheisten halten. Daher sah Rahner in den Differenzen zwischen den von ihm für nötig gehaltenen verschiedenen Inkulturationen des Christentums wohl nur Unterschiede in den reflektierten, begrifflich ausformulierten Formen des christlichen Glaubens, jedoch nicht bezüglich seiner Grundlegung im menschlichen Geist.

Aber diese von Rahner für zeitlos gültig gehaltene theologische Grundannahme beruht selbst nochmals auf der platonisch-idealistischen Gleichsetzung von Denkmöglichkeit und Seinsmöglichkeit, von Idee und Wirklichkeit, die dem menschlichen Geist eine unendliche Reichweite zuerkennt. Es ist also hellenistisches Gedankengut, das der Idealismuskritik nicht standhält.

Auch im Bereich des durch den Platonismus geprägten abendländischen Christentums braucht es eine neue Inkulturation unter nachidealistischen Voraussetzungen. Erst dann wird eine „Neu­evangelisierung Europas“ eine Chance haben. Dabei wird die christliche Praxis als Erfahrungsraum des Glaubens eine viel größere fundamentaltheologische Bedeutung erhalten.

Papst Johannes XXIII. und das von ihm einberufene Zweite Vatikanische Konzil waren überzeugt, die Kirche ohne Änderungen ihrer Lehre erneuern und zur Welt hin öffnen zu können. Das gelang schon damals nicht: Dennoch vorgenommene Korrekturen - etwa bezüglich der Religionsfreiheit und der Heilsmöglichkeit für alle Menschen auch außerhalb der Kirche - wurden nicht eingestanden, oder es wurden Kompromisse formuliert, woraus sich die nachkonziliaren Konflikte ergaben. Kardinal Walter Kasper schrieb in einem Artikel im „Osservatore Romano“ (12. April 2013) über den Versuch von Papst Paul VI. im letzten Konzil, die Zustimmung der traditionalistischen Minderheit der Konzilsväter zu erreichen: „Das gelang auch, aber zu einem Preis: An vielen Stellen mussten Kompromissformeln gefunden werden, bei denen oft die Mehrheitspositionen unmittelbar neben denen der Minderheit stehen, die erstere eingrenzen sollten. Deshalb enthalten die Texte des Konzils ein enormes Konfliktpotenzial, weil sie die Tür zu einer selektiven Rezeption in die eine oder die andere Richtung öffnen.“ Dieser Fehler dürfte sich in einem künftigen Konzil oder auch in der kommenden Bischofssynode nicht wiederholen.

Ein neues Apostelkonzil

Es braucht also ein neues Apostelkonzil, in dem die Kirche so wie im ersten den Mut hat, auch als unumstößlich angesehene „Dogmen“ zu korrigieren: damals jene von der Heilsnotwendigkeit des jüdischen Gesetzes und von der alleinigen Auserwählung des jüdischen Volkes, heute vor allem jene von der Unveränderlichkeit der kirchlichen Lehre und von der Unfehlbarkeit des Papstes und des Bischofskollegiums unter dem Papst. Die Fragen, ob bisherige Lehren geändert werden können und wie darüber sowie über alles Weitere entschieden werden soll, wären also zuerst zu klären.

Dabei ist „ein heftiger Streit“ zu erwarten wie damals in Jerusalem (Apg 15,2). Doch dort gelang es den Aposteln und der ganzen Gemeinde durch das Wirken des Heiligen Geistes, einmütig zu werden. Erst nach ­einem neuen Konzil, in dem die Alleingültigkeit der hellenistischen Gestalt des Christentums relativiert wird und andere Inkulturationen für möglich gehalten werden, kann die Kirche sowohl Weltkirche werden als auch die Krise des Glaubens in ihren „Stammländern“ überwinden. Dann könnte es ein neues Pfingsten geben, nicht nur einmal, sondern immer wieder. Die Orte dafür werden Gemeinden sein, die von der Liebe eines Gottes, „den kein Mensch gesehen hat noch je zu sehen vermag“ (1 Tim 6,16), Zeugnis geben.

Literatur:
Paul Weß: „GOTT, Christus und die Armen. Eine Rückbesinnung auf den biblischen Glauben als Beitrag zur Lösung des Konflikts in der Befreiungstheologie“ (Münster 2011; im Internet unter: http://www.itpol.de/?p=333)
Ders.: „Wie in säkularer Sprache von Gott reden? Ein Beitrag zu der von Jürgen Habermas verlangten Übersetzung“ (in: „Stimmen der Zeit“ 231/2013; 3-13)

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