KlösterDeutschland ohne Klöster?

Die Zahl der Ordensleute schrumpft bedenklich. Was bedeutet der Verlust der Klosterkultur? Und was passiert mit den leer stehenden, häufig riesigen Immobilien?

Geistliche Männer- und Frauengemeinschaften, die arm, ehelos und gehorsam die Nachfolge Jesu in der Kirche verwirklichen wollen, sind eine Art „Schocktherapie des Heiligen Geistes für die Großkirche“. Sie sind nicht selten ein Korrektiv gegenüber bedenklichen Entwicklungen in der Kirche, reagieren zukunftsweisend auf neue gesellschaftliche und religiöse Herausforderungen, klagen gegen fragwürdige Kompromisse auf Kosten des Evangeliums und zeigen durch ihr Engagement radikale Alternativen auf. Sie bilden eine „gefährliche Erinnerung“, die auf der Suche nach authentischer mystischer Lebensäußerung in den Spuren Jesu „Bewegung ins überangepasste Leben der Kirche“ bringt. Mit diesen aufrüttelnden Gedanken beginnt das kleine Bändchen „Zeit der Orden?“ des Münsteraner Theologen Johann Baptist Metz, das 1977 erschienen ist.

Nimmt man dieses Werk heute in die Hand, reibt man sich verwundert die Augen. Schocktherapie für die Kirche? Gefährliche Erinnerung? Eher schon stehen viele klösterliche Gemeinschaften unter einer Schockstarre, weil das pure Fortbestehen der Kommunität zur existenziellen Herausforderung geworden ist. Prägten früher Klöster ganze Regionen entscheidend als Orte der Bildung und des geistig-kulturellen Austauschs, so kämpfen sie hierzulande fast überall um ihren Weg in die Zukunft und gegen die Bedeutungslosigkeit. Die Eintrittszahlen sind niedrig, der Pflegebedarf für die alten und ältesten Mitglieder wächst beständig. Die Klostergebäude sind viel zu groß geworden, die Kosten für deren Erhalt oder Renovierung sehr hoch. Dazu kommt, dass viele Klöster unter Denkmalschutz stehen, die finanziellen Mittel der Orden aber begrenzt sind.

Auf eine besonders belastende Entwicklung machte neulich der Franziskaner José Rodriguez Carballo, Sekretär der vatikanischen Ordenskongregation, im „Osservatore Romano“ aufmerksam. Immer mehr junge Ordensfrauen und -männer halten es nicht mehr aus in ihren oft überalterten und auch geistig und geistlich erstarrten Gemeinschaften. Allein im Zeitraum zwischen 2008 und 2012 haben jährlich rund 3000 überwiegend jüngere Ordensleute ihre Klöster und Gemeinschaften verlassen. Wenn auch dieser Aderlass regional unterschiedlich ausfällt: Das sind aus der jüngeren Generation weltweit rund 12000 Männer und Frauen! Selbst vatikanische Amtsträger, die nicht im Verdacht stehen, die Lage zu dramatisieren, müssen zugeben: Das ist ein zutiefst besorgniserregendes Phänomen, womöglich sogar unlösbar und unumkehrbar.

Die Alterspyramide in den Ordensgemeinschaften steht auf dem Kopf. In den Männergemeinschaften ist nur noch jeder Zweite jünger als 65 Jahre. Bei den Frauenorden sind es sogar nur noch 16 Prozent. Für die Gemeinschaften selbst ist es eine existenzielle Anfrage, ob in einer Gruppe von lauter „Großmüttern“ oder „Großvätern“ eine einzige „Enkelin“ oder ein „Enkel“ geistlich und menschlich überhaupt wachsen kann. Die Generalpriorin der Gemeinschaft der Dominikanerinnen von Arenberg, Scholastika Jurt, brachte es realistisch auf den Punkt: „Wir dürfen die jungen Frauen nicht in die alten Werke hineinpacken, sondern müssen ihnen die Gelegenheit geben, etwas Neues für die Gemeinschaft entstehen zu lassen.“ Aber was?

Das Durchschnittsalter der männlichen Franziskaner in Deutschland und Italien liegt weit jenseits der Siebzig. Weltweit hat sich die Zahl allein des größten Zweigs der franziskanischen Ordensfamilie, der Observanten, von 26400 im Jahr 1968 bis heute nahezu halbiert. Die Frauenorden erleben aufgrund rückläufiger Eintritte weltweit einen rasanten Schrumpfungsprozess. Von 792100 zur Jahrtausendwende auf 713000 heute, das ist ein Rückgang von zehn Prozent in nur dreizehn Jahren!

Ein Blick in die Klöster, Abteien und Kongregationen in Deutschland bestätigt diesen Trend. Derzeit gibt es etwa rund 18300 Ordensfrauen in tätigen und kontemplativen Gemeinschaften. Vor zwölf Jahren waren es noch rund 30100. Die Männerorden zählen heute rund 4500 Mitglieder. Vor zehn Jahren waren es noch rund tausend Mönche, Ordenspriester und Brüder mehr.

Traurig ist es, wenn ein Kloster geschlossen werden muss. Doch das kommt immer häufiger vor. Im Bistum Passau im „katholischen“ Bayern mussten allein letztes Jahr sechs klösterliche Niederlassungen zumachen, wie das „Passauer Bistumsblatt“ schrieb. So wurden die Dritt-Ordens-Schwestern vom einstigen Senioren-Erholungsheim „Maria Schutz“ im niederbayerischen Handlab bei Hengersberg abgezogen. Altötting und Freyung bedauerten den Weggang der Mallersdorfer Schwestern. In Niederalteich ist das Kloster der Ursulinen verwaist. Die Niederbronner Schwestern haben Bad Griesbach verlassen. Die Congregatio Jesu, die früher unter dem Namen Mary-Ward-Schwestern bekannt war, gab Passau-Niedernburg auf. In diesem Sommer werden die Salvatorianer aus Pfarrkirchen die Wallfahrtskirche auf dem Gartlberg ans Bistum zurückgeben. Auch einstmals bedeutende und überregional bekannte Klostergemeinschaften wie die Benediktinerabteien Weingarten in Oberschwaben und Siegburg in der Kölner Bucht gibt es nicht mehr.

In diesem Sommer haben die Tutzinger Missionsbenediktinerinnen das traditionsreiche Kloster Wessobrunn in Oberbayern an ein Naturkosmetik-Unternehmen veräußert - 99 Jahre nach der Wiederbesiedelung durch den Orden und nach vielen vergeblichen Versuchen, das historisch wie religiös bedeutsame Kloster einer angemessenen Nutzung zuzuführen. In Wessobrunn entstand das älteste erhaltene deutsche Gebet, Bestandteil einer um 814 vermutlich im Bereich des Augsburger Bistums entstandenen Handschrift. Außerdem erlangte Wessobrunn im 18. Jahrhundert große Bekanntheit durch bedeutende Stukkateure und Kirchenbaumeister. Erleben wir eine „zweite Säkularisation“, diesmal ganz ohne staatlichen oder politischen Zwang?

Laut dem Kirchenhistoriker Joachim Schmiedl aus Vallendar ist das Klostersterben begleitet von einer gegenläufigen Entwicklung: Je weniger für die Bevölkerung reales Kloster- und Ordensleben existiert und in der Öffentlichkeit erfahrbar ist, desto mehr steigt das mediale Interesse an allem, was mit Mönch, Nonne und Kloster zu tun hat, „seien es historische Kriminalromane oder eine auf Wellness getrimmte Klosterkultur“. Alles, was irgendwie „klösterlich“ ist, entfalte eine geradezu magnetische Wirkung und ziehe die Menschen in Bann.

Bei einer Studienkonferenz der Bensberger Thomas-Morus-Akademie trafen sich Ordensleute und Fachleute aus dem Bereich Freizeit und Tourismus im südbadischen Europa-Park Rust. Akademiedirektor Wolfgang Isenberg verwies auf neuere Untersuchungen der Tourismusbranche zum „Mythos Kloster“. Gerade für gestresste Menschen, die Urlaub und Entspannung suchen, seien Klosteraufenthalte sehr gefragt. Jeder Dritte könne sich sogar vorstellen, im Kloster Urlaub zu machen. Ob diese Personen aber tatsächlich das Besondere des Klosters suchen, also Bildung, Kultur, Gebet, Meditation, religiöse Selbstfindung, ist eine ganze andere Frage. Offensichtlich steht ein Kloster im Bewusstsein der Öffentlichkeit nicht mehr in erster Linie für manchmal anstrengende, herausfordernde geistig-geistliche Inhalte, sondern einzig noch für Ruhe und Idylle. Schlaftherapie, nicht Schocktherapie des Heiligen Geistes!

Exotisch wie Tempeltanz in Bali

Die Tagung mit mehr als siebzig Fachleuten aus Tourismus, Immobilienwirtschaft, Marketing und mit Kirchenverantwortlichen, darunter etwa ein Drittel Ordensleute, lotete drei Tage lang den Horizont der Möglichkeiten aus, der sich aus dem modernen Zusammenspiel von Kultur, Kirchen, und Tourismus in einer säkularisierten Gesellschaft ergibt. Der Ort der Tagung, Europas größter Freizeitpark, wurde nicht zufällig gewählt. Denn das dortige „Hotel Isabel“ greift ausdrücklich den Kloster-Mythos auf (vgl. CIG Nr. 31/2008). Es ist nicht nur wie ein altes portugiesisches Kloster gebaut, sondern zwingt seine Mitarbeiter an der Rezeption und in den Gasträumen in mittelalterlich anmutende Fantasie-Ordenskutten. Manchen echten Ordensleuten kam diese Art von Mimikry ziemlich aufgesetzt und übertrieben vor. Aber es funktioniert. Die Auslastung des Hotels übers Jahr ist hoch.

Welch große Rolle der sogenannte spirituelle Tourismus spielt, der aus der Klostertradition schöpft, machte Martin Spantig deutlich. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der „Bayern Tourismus Marketing“, die im Auftrag des Freistaats Urlauber anlocken soll, meinte, Klöster würden doch im Urlaub - wie auch Berge und das Bier - fast „im Vorbeigehen konsumiert“. All das sei schließlich Teil des bayerischen Klischeebildes. Weil Klöster gottlob über ganz Bayern verteilt vorkommen, lasse sich „über die Klosterhülle“ das Bundesland hervorragend als bodenständig, naturverbunden, spirituell und Erholung bietend vermarkten. Jedes Kloster habe etwas Exotisches, vergleichbar mit einem balinesischen Tempeltanz. Es gehe schlicht um „das buchbare touristische Produkt Ruhe“. Etliche Ordensleute widersprachen dieser Ansicht. Eine Benediktinerin fand es absurd, wenn zum Beispiel bei einer Fronleichnamsprozession, die touristisch angepriesen wird, die Zahl der Fotografierenden am Straßenrand die der Mitbetenden und Mitgehenden bei weitem übersteigt. Kann man überhaupt die Maßstäbe des Tourismus, „wo es doch ums Geldverdienen geht“, mit denen der Religion und Spiritualität zusammenbringen? Es sei doch gerade das „Andere“, das Nichtmaterielle des Ordenslebens, das von den Gästen in einem Kloster gesucht werde, merkte eine weitere Ordensfrau an. Demgegenüber bestanden Tourismusleute darauf: Urlaub sei aus sich heraus ein Gegenbild zum Alltag. Das passe doch hervorragend zum Selbstverständnis eines Klosters.

Der Berliner Dominikaner Thomas Eggensperger hat in der Zeitschrift „Ordenskorrespondenz“ darauf hingewiesen, dass Klöster zwar Sehnsuchts-Orte seien. Doch warnte er davor, sie lediglich auf Stille und Gebet zu reduzieren. Vor allem sollten sich die Ordensleute selbst „nicht nur auf solchen Klischees ausruhen“. Diese können leicht bedient werden und bedürfen keiner großen Anstrengung. „Zu hoffen ist, dass man von Klosterleuten mehr erwartet als freundliches Lächeln, durchgeistigte Blicke oder gottergebenes Schweigen.“ Eggensperger hinterfragt, ob die Perspektive von den Klöstern als „Gegenwelt“ überhaupt stimmt. „Es mag so sein, dass diese Einrichtungen von außen durchaus als Gegenwelt wahrgenommen werden, vielleicht sogar ein solches Bild richtiggehend eingefordert wird. Aber ist denn das Kloster wirklich noch dergestalt Kontrastgesellschaft? Hier ist eine kritische Reflexion durchaus angesagt.“ Der Dominikaner stellt fest, dass der säkulare Trend, der in den Gesellschaften wirkt, „auch innerhalb der Klöster und Orden Einzug gefunden hat“. Und die vorgebliche Gegenwelt ist mittlerweile Teil der Welt geworden.

Dass die Menschen hinter Klostermauern gar nicht so anders sind wie die vor den Klostermauern, belegte der Soziologe Michael Hochschild. In einem aufwendigen Langzeitprojekt namens „Elastische Tradition“ (Sankt Ottilien, 2013) hatte er Mönche, Angestellte und Sympathisanten von acht Benediktinerklöstern in Deutschland, Österreich und Ungarn befragt. Er fand heraus, dass das „System Kloster“ sich von den es umgebenden Systemen eben nicht vollständig abhebt. Entgegen der allgemeinen Einschätzung, dass die Ordensleute aufgrund ihrer Gelübde viel von ihrer Selbstbestimmung preisgeben, ist es genau anders herum: Die Individualität in den Klöstern ist im Vergleich zur gesellschaftlich üblichen Selbstbestimmung mindestens ebenso hoch, bisweilen sogar höher. Anders gesagt: Die Mönche beurteilten ihr Leben als hochwertig, weil es selbstbestimmt ist. Gegenproben in Klöstern Belgiens und Frankreichs hätten diese Erkenntnis erhärtet.

Hochschild hatte die Nachfolger des Benedikt von Nursia auch gefragt, wie sie ihre derzeitige Lage als Klostergemeinschaft beurteilen. Die Mönche sprachen vielfach von einer kritischen Situation, wenn sie auch mit ihrem persönlichen Leben weitgehend zufrieden waren. Das negative „Selbstkonzept“ des Gemeinschaftlichen - „Wir sind zu wenige“ - wirke sich verheerend auf die Zukunft aus. Es gebe einen Mangel an Phantasie, „dass es für sie überhaupt noch anders kommt, als es jetzt ist“. Vielfach geht es nur noch um Bestandserhaltung. Diese Dynamik sei durchaus vergleichbar mit vielen Institutionen in der Gesellschaft.

Ein Wandel könnte sich, so der Soziologe, ergeben, wenn sich die Mönche auf ihre „ureigene Quelle klösterlicher Vitalität“ neu ausrichten: auf ihren religiösen Umgang mit Gott. Hochschild empfahl: „Wenn man wissen möchte, wie ein Kloster aussieht, das nicht in der Krise ist, kann man schlicht damit beginnen, über anderes als die Krise miteinander zu reden: über seinen Gottesoptimismus.“ Er gab zu bedenken, dass es dazu auch nötig sei, die inneren geistlichen Prozesse zu stärken, vor allem die Lectio divina, also die Meditation der Heiligen Schrift und der Heiligentexte, die nach Aussage von Hochschild gemäß seinen Untersuchungen „fast überall eher ein stiefmütterliches Dasein“ führe. Die Folge: Eine Klosterkrise werde nicht selten von einer geistlichen Krise begleitet.

Zu lange gewartet

Solche Krisen kennt Ralf Olbrück, Geschäftsführer einer Vermögensberatung in Köln, zur Genüge. Seine Firma hat seit 1980 bundesweit etwa zwanzig Klöster „abgewickelt“. Seit der Jahrtausendwende hat man sich verstärkt auf kirchliche Immobilien und Vermögen spezialisiert und dabei mehr als neunzig Projekte begleitet: Fusionsprozesse, Umwidmungen, Verkäufe. In der Regel entstehen aus den kleineren Häusern Wohngebäude - „Mehrgenerationenwohnen ist gerade ‚in‘“ -, größere werden schon mal als Pflegeeinrichtungen oder Tagungshäuser genutzt. In Universitätsstädten ist zudem das Konzept eines Studentenwohnheims denkbar.

Olbrück erzählte von einem Projekt in der Eifel. Das große Franziskanerinnenkloster Helgoland in Mayen mit zuletzt noch acht Schwestern wurde geschlossen. Lange habe man nach Investoren gesucht. Schließlich fanden sich Geldgeber aus den Niederlanden, mit denen man übereinkam, dass das alte Gebäude zu einem Hotel für Ärzte und Heilberufe umgebaut werden sollte. Aber kurz vor Vertragsabschluss erfuhr man aufgrund eines anonymen Hinweises, dass die neuen Besitzer im ehemaligen Kloster einen Swingerclub einrichten wollten.

Leider warteten die Ordensgemeinschaften meistens lange, bis sie zu einer Entscheidung kommen. „Wenn sie uns dann rufen, kann es nicht schnell genug gehen.“ Doch muss der Vermögensberater den Ordensleuten zur Geduld raten: Durchschnittlich dauere eine Veräußerung zwei Jahre, bis alle betroffenen Personen eingebunden und alle Rechte, darunter Erbbaurechte, Verpachtungen, Vermietungen, berücksichtigt wurden. Übersteigt der Wert der Klosterimmobilie fünf Millionen Euro, muss nach dem Kirchenrecht auch noch der Vatikan eingeschaltet werden - all das seien komplizierte Vorgänge.

Thomas Beyerle, Manager einer großen Immobilienfirma in Bonn, die etliche kirchliche Objekte bei der Umwidmung betreut hat, sprach davon, dass allein der Sanierungsstau von kirchlichen Gebäuden inzwischen die Milliardenhöhe erreicht hat. Häufig seien die Betriebskosten der Sakralgebäude von den Kirchengemeinden und Klöstern nicht mehr zu bestreiten.

Als Beispiele gelungener Klosterumwidmungen nannte Beyerle unter anderem das ehemalige Kloster der Heilig-Kreuz-Schwestern Sankt Raphael in Aachen. Gebäude und Gelände bestehen heute weiter als ein ganzes Wohnquartier mit fast siebzig Wohnungen, bekannt unter dem Begriff Kloster Raphaelshöfe Soers. Das ehemalige Benediktinerkloster Hornbach in der Pfalz beherbergt mittlerweile ein Hotel, das ganz bewusst in seinem Auftritt an die klösterliche Vorgeschichte anknüpft. Aus der Abtkapelle wurden Seminarräume geschaffen. Ebenfalls in Aachen entstand aus dem denkmalgeschützten Kloster Sankt Alfons ein Bürogebäudekomplex auf 3700 Quadratmetern. Im ehemaligen Mittelschiff der Klosterkapelle befinden sich jetzt Besprechungsräume mit Sitznischen.

Sogar in Ostdeutschland, wo die Klosterdichte aufgrund der historischen Entwicklungen ohnehin überschaubar ist, gibt es Bestrebungen, ehemalige Klöster touristisch aufzuwerten. Laura Buschmann, die im 2013 gegründeten Verein „Klosterland“ in Berlin unter anderem für die Werbung zuständig ist, stellte die einstmals bedeutenden Klöster der Region Ost-Brandenburg wie Lehnin, Chorin oder Angermünde als noch wenig bekannte touristische Ziele vor, die man noch besser mit polnischen Zisterzienserklöstern vernetzen müsse. Oftmals kümmern sich Christen um die spirituelle Bedeutung, engagieren sich mit Führungen, Konzerten oder anderen kulturellen wie religiösen Angeboten. Sie halten so - auf niedrigem Niveau - die Leistung der Ordensleute längst vergangener Generationen in einem weitgehend säkularen Umfeld lebendig. Ein evangelischer Pfarrer aus den östlichen Bundesländern, der auf dem Gebiet Tourismus und Seelsorge erfahren ist, bemerkte skeptisch, dass es zwar anerkennenswert sei, wenn solche Netzwerke entstehen. Doch bis die Inhalte des Glaubens im „Klosterland“ zu den Leuten kämen, sei es seiner Erfahrung nach „ein langer Weg“. Wolfgang Isenberg deutete die Gemengelage so: „Mir kommt es mitunter so vor, als sei das Thema Kloster aus dem katholischen Bereich ziemlich ausgewandert.“

Vom Gästehaus zum Hotel

Die Dominikanerinnen vom Arenberg, hoch über dem Rhein bei Koblenz gelegen, wollten diese Umwandlungsprozesse selbst in die Hand nehmen. Zum Arenberger Konvent gehören heute noch 61 Frauen. Das Durchschnittsalter der Gemeinschaft, die mit sechs weiteren Niederlassungen in Deutschland, der Schweiz und Bolivien insgesamt 169 Ordensfrauen umfasst, liegt bei 78 Jahren. Vor vierzehn Jahren entschieden sich die Schwestern für eine Modernisierung in Koblenz. Aus einem Gästehaus der fünfziger Jahre entstand ein Hotelbetrieb. Alle Schwestern wurden in die Entscheidungen mit einbezogen.

Der Zeitschrift des Katholischen Deutschen Frauenbunds „Engagiert“ erzählte Generalpriorin Scholastika Jurt, dass der Betrieb mittlerweile eine Auslastung von siebzig Prozent und 25 000 Übernachtungen im Jahr habe. Die Medien hätten den Wandel unter dem Begriff „Wellnesskloster“ geführt. Für die 49-jährige Oberin ist das jedoch missverständlich. „Wellness - darunter versteht man normalerweise äußere Schönheit: sich erholen, jung bleiben, Kraft haben … Uns geht es aber eher um die innere Schönheit: um die Würde des Menschen und um sein Ansehen von Gott her.“ Vier Seelsorger, darunter eine Schwester, kümmern sich im Hotel um geistliche Begleitung, sind Ansprechpartner. Die jüngsten Ordensfrauen nutzen darüber hinaus die sozialen Netzwerke Internet und Facebook, geben so einen ungewohnten Einblick in die uralte Form der Christus-Nachfolge, ganz persönlich. Für die älteren Dominikanerinnen war das eher gewöhnungsbedürftig. Doch das Modell Arenberg funktioniert. In Rust sagte die Verwaltungsleiterin von Kloster Arenberg, Beate Hierold: Tourismus bedeute für die Dominikanerinnen vor allem „Gastgeber sein“. Das sei ein urchristliches Thema. Auch der Konvent schöpft neue Hoffnung. In diesem Jahr sind vier junge Frauen eingetreten. „Ich bin ganz überwältigt“, freut sich die Oberin.

In den Steinwüsten der Städte

Meistens verläuft die Entwicklung jedoch in die andere Richtung. In dem Dokumentarfilm „Die große Reise“ begleitet der Regisseur Helmut Manninger eine 25-köpfige Franziskanerinnengemeinschaft in Österreich vom Beschluss der Ordensleitung bis zur Auflösung des Hauses. Das Annunziata-Kloster Stein in der Wienerwald-Gemeinde Eichgraben, ein über hundertjähriger neogotischer Bau, in dem sich früher einmal bis zu 250 Ordensfrauen auf ihren Einsatz in der Mission vorbereiteten, wurde 2011 geschlossen. Der Film (als DVD erhältlich) zeigt in Gesprächen und feinfühligen Bildern, wie die Frauen mit der Entscheidung ihrer Ordensleitung umgehen, ihren Widerstand, ihre Wut und Ergebung. Der Journalist und Theologe Otto Friedrich schreibt in der Wochenzeitung „Die Furche“: „Viel ist dabei von Gehorsam die Rede: Und man glaubt diesen Frauen, dass sie damit Halt im Leben finden, ohne ihre - innere - Freiheit aufgeben zu müssen. Eine große Weltsicht von scheinbar kleinen Frauen wird so sichtbar.“ Es ist religiöses Selbstbewusstsein, das seinen tiefen Grund im Gottesbewusstsein hat, selbst im Moment der Trauer.

„Wo ist heute die innerkirchliche Schockwirkung der Orden?“, fragte Johann Baptist Metz 1977. „Ist es eigentlich ganz abwegig anzunehmen, dass zum Beispiel ein Benedikt von Nursia, der einmal aus der Sammlung und Versammlung des Gebetes unerschlossene Länder und Landstriche kultivierte, heute zur Sammlung in den Steinwüsten unserer Metropolen rufen würde, um sie und die in sie eingemauerten sprachlosen und ratlosen Seelen aus der Kraft mystischer Versammlung zu ‚kultivieren‘?“ Solche Bewegung hätte Kraft und Anziehung, wie man an den „Jerusalem-Gemeinschaften“ erkennen kann, die sich im Herzen der Großstädte ansiedeln und eine eigene Mischung aus Ästhetik, Gebet und halbtägiger Erwerbsarbeit gefunden haben.

Auch die ökumenische Brüdergemeinschaft von Taizé zieht seit Generationen junge Christen aus allen Konfessionen an und ist wohl einer der wenigen Orte, zu denen regelmäßig Jugendliche und junge Erwachsene hinpilgern, um sich ganz bewusst der religiösen Frage und der Liturgie auszusetzen.

Diese Beispiele zeigen, dass Ordensgemeinschaften keine Auslaufmodelle sind, wenngleich man einräumen muss, dass sich Konvente, die sich auf Krankenpflege oder Schulen spezialisiert haben, besonders schwer mit dem Nachwuchs tun, weil der Staat hierzulande weitgehend diese Aufgaben übernommen hat.

Der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri, Jorge Mario Bergoglio, will das Zeugnis der Orden stärken. Für diesen Herbst hat er ein „Jahr des Ordenslebens“ angekündigt. Ein Kongress soll die Theologie des Ordenslebens erörtern, eine Ausstellung in Rom das gottgeweihte Leben in der Geschichte der Menschheit beleuchten. Es finden zudem etliche Treffen für junge Ordensleute und Ausbilder statt. Eine Gebetskette soll die kontemplativen Klöster mit einbinden. Der hierzulande erstmals angebotene „Tag der offenen Klöster“, an dem 350 Orden und Gemeinschaften teilnahmen, bildete die Vorhut für diese Initiative. Ob solche Aktionen in die Tiefe wirken können, kann man bezweifeln. Aber unter den Sensiblen werden sie Aufmerksamkeit und Nachdenklichkeit wecken für eine uralte, alternative Kultur der Gemeinschaft, untereinander und mit Gott. Der amerikanische Mystiker und Trappistenmönch Thomas Merton (1915-1968), ein ausgezeichneter Kenner der Wüstenväter und selbst erfahren als Einsiedler, hat einmal den Kern monastischer Existenz so beschrieben: ein Ort, an dem man lernen könne, wie man Vorurteile ignoriert, Zwängen widersteht „und sich furchtlos auf den Weg ins Unbekannte begibt“.

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