ÖkumeneBewegte Welt-Ökumene: Philip Potter und Mar Dinkha IV.

Mit dem Oberhaupt der Apostolischen Kirche des Ostens, Mar Dinkha IV., und dem früheren Generalsekretär des Weltkirchenrats, Philip Potter, sind zwei entschiedenen Streiter für die Ökumene in bewegten Zeiten gestorben.

Bewegte Ökumene-Zeiten: Zum Tod von Philip Potter

Der frühere Generalsekretär des Weltkirchenrats, Philip Potter, ist in der Karwoche im Alter von 93 Jahren in Lübeck gestorben. „In der einen Hand die Bibel, in der anderen die Zeitung“ lautete sein Motto. Dementsprechend leitete der Methodist von 1972 bis 1984 den Weltkirchenrat, dem mehr als 300 christliche Kirchen angehören. Potter war verantwortlich für eine starke Politisierung des Ökumenischen Rats in dieser bewegten Zeit. Als er in den siebziger Jahren einen Sonderfonds für ein Anti-Rassismus-Programm einrichtete, mit dem auch afrikanische Befreiungsbewegungen, beispielsweise die Swapo in Namibia oder der Afrikanische Nationalkongress in Südafrika, unterstützt wurden, reagierten deutsche und niederländische Kirchen und Synoden zum Teil mit heftiger Kritik. Die Evangelische Kirche in Deutschland sah damals die „Grenzen des gemeinsamen Handelns mit dem Ökumenischen Rat“ erreicht, brach aber nicht mit dem Rat wie später einige orthodoxe Kirchen.

Als ökumenisch-theologischer Höhepunkt von Potters Amtszeit gilt das sogenannte Lima-Dokument. In dieser Erklärung - benannt nach der peruanischen Hauptstadt - stellte die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung, der - im Gegensatz zum Weltkirchenrat - auch die katholische Kirche als Mitglied angehört, einen bemerkenswerten Grad der Übereinstimmung im Verständnis der Taufe, der Eucharistie und des Amts in den verschiedenen christlichen Kirchen fest. Die daraus entstandene sogenannte Lima-Liturgie wollte die gemeinsame ökumenische Feier des Abendmahls, der Eucharistie voranbringen. Dennoch sank bereits unter Potter die theologisch-ökumenische Bedeutung des Weltkirchenrats, was bis heute nicht aufgefangen werden konnte. Immer noch beherrschen stark sozialethische und politische Themen das Gremium, dessen ökumenisch-religiöser Bedeutungsverlust unübersehbar geworden ist.

Geboren wurde Philip Potter 1921 auf der kleinen Karibik-Insel Dominica. Mit der Ökumene und ihren Grenzen war er bereits als Kind vertraut: Mit seinem Großvater besuchte er katholische Gottesdienste, während ihn seine methodistische Mutter allein großzog. „An sechs Tagen in der Woche machten wir alles zusammen, nur sonntags waren wir getrennt“, erinnerte er sich. Nach seinem Theologiestudium im jamaikanischen Kingston und in London nahm er 1948 als Sekretär der christlichen Studentenbewegung SCM an der ersten Vollversammlung des Weltkirchenrats teil, bei dem er dann von 1954 an in verschiedenen Funktionen in Genf tätig war. Nach dem Tod seiner ersten Frau lernte er dort die spätere Lübecker Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter kennen. Mit ihr war er seit 1985 verheiratet. Nach ihrer Wahl zur Landesbischöfin folgte er ihr in die Hansestadt.

Katholikos-Patriarch Mar Dinkha IV.

Das Oberhaupt der sogenannten Apostolischen Kirche des Ostens, auch schlicht „assyrische Kirche“ genannt, Mar Dinkha IV., ist 79-jährig in Chicago gestorben. Fast vierzig Jahre lang leitete der 120. Katholikos-Patriarch die weltweit rund 400 000 Gläubige umfassende Gemeinschaft, die sich auf die Missionstätigkeit des Apostels Thomas beruft und eine der ältesten Kirchen überhaupt ist. Ursprünglich in der Region des alten Perserreiches beheimatet, brachte die Kirche des Ostens zwischen dem 5. und 14. Jahrhundert den christlichen Glauben zu den Menschen Asiens bis weit in den Fernen Osten, nach China und Japan. Durch Verfolgung und Spaltung sank die Zahl der Gläubigen im Lauf der Jahrhunderte allerdings rapide. Die Kirche feiert ihre Liturgie bis heute in aramäischer Sprache.

Mar Dinkha stammte aus der Nähe des irakischen Erbil. Mit 22 Jahren wurde er Priester und fünf Jahre später Bischof. 1984 verlegte Dinkha IV. den Sitz des Patriarchats nach Amerika, wo seit Beginn des 20. Jahrhunderts viele assyrische Christen Zuflucht gefunden hatten. Zudem öffnete er seine bis dahin abgeschottete Kirche für die Ökumene und unterzeichnete 1994 die „Gemeinsame Christologische Erklärung“ mit dem Vatikan. Darin wird eine Übereinstimmung in der Christologie bekundet, wonach die frühere Bezeichnung der Assyrer als Nestorianer und eine angebliche Überbetonung allein der Menschennatur Jesu Christi auf einem Missverständnis beruht haben. Mar Dinkha IV. bemühte sich um die Annäherung der insgesamt drei assyrischen Kirchen: seiner Kirche des Ostens, der chaldäischen Kirche von Babylon, die seit dem 17. Jahrhundert den Papst als Oberhaupt anerkennt, sowie der syrisch-orthodoxen Kirche.

Eine über seinen Tod hinaus besonders bedeutsame ökumenische Hinterlassenschaft bleiben der Durchbruch zur eucharistischen Gemeinschaft zwischen seiner Kirche und den chaldäischen Katholiken sowie die vom Vatikan 2001 bekräftigte Gültigkeit der assyrischen Abendmahlsfeier, deren liturgisches Formular, das Hochgebet von Addai und Mari, keine Einsetzungsworte enthält.

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