Evangelischer Kirchentag in StuttgartWer wohnt in den ewigen Hütten?

„Damit ihr klug werdet“: Unter diesem Leitwort stand in Stuttgart der Evangelische Kirchentag. Er wurde zu einer ökumenischen Suchbewegung von 100000 Personen nach einem glaubwürdigen Christsein angesichts der säkularen Welt, die zugleich die Welt Gottes ist.

Evangelische Kirchentage sind seit 1949 Foren des Bürgersinns, der Demokratie und der „Zeitansage“. Sie sind, wie Bundespräsident Joachim Gauck etwas ungelenk bei der Eröffnung des Stuttgarter Christentreffens sagte, „Motivationstraining für alle“, die nicht an den großen Problemen vorbeisehen möchten, und das gilt gesellschaftspolitisch, spirituell und ökumenisch. Ein Kirchentag ist ebenfalls ein Fest des Glaubens und der Sinnstiftung.

Die Teilnehmer des jüngsten fünftägigen Treffens in Stuttgart wurden mit einer überbordenden Fülle an Debatten und Angeboten konfrontiert. Gemäß dem Text aus Psalm 90 „Damit wir klug werden“ befassten sich die rund 100000 Dauerteilnehmer, darunter viele junge Leute, mit Themen, die das Land und die Kirchen in Atem halten: unter anderem mit Flüchtlingsströmen, mit dem Ukraine-Russland-Konflikt, mit der Gewalt im Nahen Osten, mit der „Homo-Ehe“, mit Arm und Reich, mit der Klimakatastrophe. Bei der mit rund 10000 Personen am besten besuchten Bibelarbeit des Kirchentags hatte Margot Käßmann, Botschafterin der evangelischen Kirche für das Reformationsjubiläum 2017, die Profitgier von Teilen der Wirtschaft und den Umgang mit der Finanzkrise angeprangert und einen Schuldenerlass für Griechenland gefordert.

Gutes Leben. Kluges Leben

Zum Klugwerden angesichts der Unergründlichkeit des Lebens gehört, so der Münchner Kardinal Reinhard Marx bei einer anderen Veranstaltung in der Domkirche Sankt Eberhard, dass wir „die Welt anschauen, wie sie ist.“ Das sei eine Pflicht, die sich aus dem Glauben ergibt: Komm und sieh! An die Politiker und die Kirchen gerichtet, sagte der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz: „Klugheit und Verstehen der Wirklichkeit gelingen nur, wenn wir lieben. Ohne Freundschaft, ohne Liebe, ohne Zuneigung gibt es kein wirkliches Verstehen.“

Das betrifft auch die Ökumene. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, lobte die Gesprächsatmosphäre des Kirchentags „ohne Aggressivität“ und eine Vielfalt ohne Polarisierung.

Hitzige Debatten gab es dennoch. Einen lebendigen Schlagabtausch erlebten die Besucher der Hanns-Martin-Schleyer-Halle bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Gutes Leben. Kluges Leben“ mit Bundespräsident Joachim Gauck und dem Jenaer Soziologieprofessor Hartmut Rosa. Rosa zeichnete in seinem Impulsvortrag zunächst ein sehr kritisches Bild von der Moderne. Der Traum des Menschen, mit wachsendem Wohlstand und Wissen sorgenfrei leben zu können, sei geplatzt. Der Mensch lebe und handle „auf rutschenden Abhängen“. Man müsse „immer noch eine Schippe drauflegen, damit wir nicht zurückrutschen“.

Der Bundespräsident widersprach dieser These energisch. Von pauschalem Kulturpessimismus halte er nichts. Nie zuvor habe es in Deutschland so viel Freiheit gegeben wie heute. Diese Freiheit müsse man gestalten: „Ihr seid nicht ohnmächtig, ihr seid Herren, ihr könnt gestalten.“ Die Reaktion des Publikums auf diese Aussage war verhalten, dem Applaus nach zu urteilen, fanden sich die Besucher eher bei Rosa wieder.

Am Ende fanden die Kontrahenten dann doch noch zusammen. Beide wünschten sich mehr Leidenschaft in der Debatte über die Zukunftsfähigkeit Deutschlands und mehr Vertrauen in das Potenzial seiner Bewohner. Es wäre schön, wenn sich soziale Glücksmomente mit einem „Index der leuchtenden Augen messen“ ließen, sagte Rosa. Dem stimmte der Bundespräsident gerne zu.

Verantwortung durch Smartphone

Wer aber übernimmt Verantwortung in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist? Darum ging es bei einem Podium, das mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan hochkarätig besetzt war. Annan gelang es sehr schnell, das Thema auf den einzelnen Menschen zu beziehen. Nicht nur die Politik sei dafür verantwortlich, Ungerechtigkeit zu korrigieren. Solidarität beginne beim Einzelnen. Dank Smartphones und sozialen Medien könne heute niemand mehr sagen, er habe nichts gewusst. An die jüngere Generation appellierte Annan, sich dieser Verantwortung nicht zu entziehen. Die Angesprochenen gaben ihr Versprechen mit einem lang anhaltenden Applaus.

Auch Steinmeier nahm den Einzelnen in die Pflicht: „Gerade als Christen tragen wir die Verantwortung für unser Handeln und Nicht-Handeln“. Wegschauen dürfe keine Alternative sein. Nach Ansicht des Außenministers ist Deutschland wegen seiner internationalen Verflechtungen, aber auch wegen seiner kriegerischen Vergangenheit in der Pflicht, aus der Welt „einen friedlicheren und gerechteren Ort“ zu machen. Bis dahin konnte das Publikum gut folgen. Doch die Einigkeit der Podiumsteilnehmer über die Notwendigkeit von bewaffnetem Eingreifen in manchen Fällen war für viele Zuhörer eine unbequeme Wahrheit. Der anglikanische Bischof Nick Baines aus Leeds, der als dritter Podiumsteilnehmer für die Kirchen sprechen sollte, erklärte, dass militärische Gewalt manchmal notwendig sei, um Raum für Gespräche zu schaffen. Was soll man machen, wenn eine Konfliktpartei nicht verhandeln will, fragte Baines. „Warten, bis sie es müssten?“ Diese Äußerungen akzeptierte das Publikum zögerlich, im Laufe der Diskussion aber zunehmend wohlwollend. Am Ende gab es trotz der leisen, kritischen Töne vor allem für Kofi Annan stehenden Beifall.

Auch die derzeitige Flüchtlingspolitik war Thema des Kirchentags. Innenminister Thomas de Maizière relativierte seine ursprünglich kritischen Äußerungen zum Kirchenasyl. Zwar gelte in einem Rechtsstaat das gleiche Recht für alle, doch im Einzelfall gehe es um den Wert der Barmherzigkeit. Die Kirche dürfe sich jedoch nicht über das Recht stellen, wenn sich die Menschen einem staatlichen Zugriff entziehen.

Der Staatsrechtler Hans Michael Heinig wandte sich ebenfalls gegen eine In­strumentalisierung des Kirchenasyls. Die Kirche übernehme sich, wenn sie meine, als Korrekturposten des Rechts handeln zu müssen. Wer ein anderes europäisches Asylrecht wünscht, müsse dies politisch anstreben.

Nach Angaben der Vorsitzenden der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“, Dietlind Jochims, sind der Initiative derzeit 251 Kirchenasyle mit rund 460 Menschen bekannt. De Maizière bestätigte die Zahlen. Im Frühjahr hatte es massive Debatten zwischen den Kirchen und der Politik gegeben.

Das künstliche Gen

Eines der am besten besuchten Podien war einem der am schwierigsten zu erklärenden Themen gewidmet: der sogenannten synthetischen Biologie. Dieser Wissenschaftszweig geht über die „klassische“ Gentechnik hinaus. Die erforscht Erbanlagen, sequen­ziert bestehende, analysiert sie also in der Abfolge ihres Erbcodes, und „verpflanzt“ einzelne Abschnitte in Organismen, um diese gezielt anzuregen, bestimmte Stoffe oder Prozesse hervorzubringen. Jetzt aber werden über die synthetische Biologie viele Gene oder Teilabschnitte künstlich nachgebaut oder erzeugt und nicht bloß aus lebenden Organismen gewonnen. Die synthetische Biologie soll helfen, beispielsweise Biotreibstoffe herzustellen oder neuartige Chemikalien zu produzieren. Die Medizin erhofft sich von den Forschungsergebnissen auch Hilfen durch neue Impfstoffe, Medikamente oder Diagnoseverfahren.

Petra Schwille, Biophysikerin und Direktorin am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München, sagte: „Die Natur ist eine der größten Problemlösungsmaschinen, die wir kennen. Lebende Systeme sind Meister in der Ausnutzung nachhaltiger Ressourcen.“ Aus dieser Tatsache leitet sich die Forschung der synthetischen Biologie ab, die allerdings weitgehend noch Grundlagenforschung ist. Man besitze zwar mittlerweile sehr viele Informationen, und es gebe viele Versuchsanordnungen. Doch müsse man auch zugeben, dass das meiste bisher noch mit einem Misserfolg endet. „Je mehr wir über die Lebensprozesse wissen, desto rätselhafter wird der Übergang von toter zu lebendiger Materie“, räumte Schwille ein. Doch müsse man ergebnisoffen weiterforschen.

Petra Schwille dämpfte die Erwartungen, wonach es bald möglich sein könnte, einen stabilen Kleinstorganismus zu programmieren. Der aus Hefepilzen erfolgreich gewonnene Anti-Malaria-Wirkstoff Artemisinin sei bisher das einzige wirksame „Produkt“, das die synthetische Biologie hervorgebracht habe. Auf die Frage aus dem Publikum, ob der „schaffende Mensch“ (Homo faber) künftig zu einem gottähnlichen, schöpferisch tätigen Menschen (Homo creator) werde, sagte der Freiburger Medizinethiker Joachim Boldt, man müsse sich vor einer Überhöhung hüten. „Kann man die Natur besser machen, als sie ist?“ Der Marburger Biologe Michael Bölker sprach sich in diesem Zusammenhang für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Philosophen und Theologen aus. Naturwissenschaftler sollten begreifen, dass die Ergebnisse ihrer Forschung nicht identisch sind mit dem Leben an sich. Bölker wollte von einer Heiligkeit des Lebens in dem Sinn sprechen, dass alles Lebendige einem Selbstzweck folgt. Diesen künstlich zu ersetzen oder zu verändern, sei eigentlich kaum möglich. „Lebendige Systeme sind nicht einfach durch technisch unterstützte Versuchsanordnungen und deren Ergebnisse zu ersetzen.“

Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer lobte das Bemühen der Naturwissenschaftler, mit der Gesellschaft über ihre Ergebnisse ins Gespräch zu kommen. Immer stehe die Frage, wie wir eigentlich leben wollen, im Gang des Fortschritts im Raum - „unbeantwortet“. Kein Weg ist es, nicht zu reden. Petra Schwille ergänzte: Eine der wichtigsten Herausforderungen überhaupt sei: „Welche Forschung ist glaubwürdig?“

Welche Religion aber ist heute glaubwürdig? Damit befasste sich ein spannender Hauptvortrag „Glauben ohne Fanatismus. Zur Zukunft religiöser Pluralität“. Als Vortragender war der österreichisch-amerikanische Religionssoziologe Peter L. Berger angekündigt. Doch wegen des Todes seiner Ehefrau konnte er nicht kommen. Der Kölner Publizist Günther Bernd Ginzel, wie Berger ein Überlebender der Schoah, verlas das Manuskript. Berger versteht insbesondere den Pluralismus der Religionen als eine organisch entstandene Wirklichkeit, ein prägendes Kennzeichen der Moderne. „Die pluralistische Situation bedeutet, dass keine Religion mehr als selbstverständlich erlebt wird. In jeder modernen Gesellschaft und selbst dort, wo Modernität noch am Anfang steht, ist der Einzelne mit verschiedenen religiösen Möglichkeiten konfrontiert; er kann, oft muss er wählen. Auch wenn er sich entscheidet, bei der Religion seiner Herkunft zu bleiben, ist das ein nicht selbstverständlicher Entschluss.“ Zu dieser Modernität gehöre, dass sie unter Bedingungen von religiöser Freiheit erlebt wird.

Aus der westlichen Trennung von Kirche und Staat, von Glaube und Wissen entstanden Räume säkularer Rationalität: Demokratie, Marktwirtschaft. „Das alles bedeutet aber keineswegs, dass diese Rationalität das Gesamtleben der Gesellschaft beherrscht. Deshalb schlage ich vor, dass wir von zwei Pluralismen sprechen: dem Pluralismus der nebeneinander bestehenden Religionen und dem Pluralismus von Religion und säkularer Rationalität.“

Geerbte Religion - meine Religion

Berger geht davon aus, dass Religion und Moderne sich nicht notwendig ausschließen müssen, weder im Bewusstsein noch in der Gesellschaft. „Kommen Sie nach Texas. Dort können Sie erfolgreiche Öl-Ingenieure, Computer-Spezialisten und Herzchirurgen treffen. Die glauben, dass man die Bahn eines tropischen Sturms durch Gebet umleiten kann. Die Frage ist nicht, ob es so etwas geben kann.“ Es bleibe jedoch die Frage, wie diese Widersprüchlichkeiten „gemanagt“ werden.

Wie aber soll das friedliche Zusammenleben der Religionen gelingen? Berger spricht sich dafür aus, Friedensformeln zu finden, die vom Staat legitimiert und durchgesetzt werden, für jeden Staat entsprechend. „Wie immer konstitutionell definiert: Ein religiös neutraler Staat mit garantierter Religionsfreiheit ist vermutlich die beste praktische Lösung des pluralistischen Problems… Und Glaube als Entscheidung ist besser als vererbte Religion.“

Und wie steht es um die vererbte Konfessionsverschiedenheit? Viele Gottesdienste und Podien befassten sich mit der möglichen-unmöglichen Einheit der Christen, die bei jüngeren Glaubenden oft längst gefühlt wird, während die Trennung da als anachronistisch, als überholt gilt.

Die Veranstalter von Kirchen- und Katholikentagen laden inzwischen selbstverständlich das jeweilige Publikum gegenseitig ein. Auch in Stuttgart waren viele Katholiken dabei. Und mit rund 8000 Teilnehmern der pietistisch-evangelikal geprägten „Christusbewegung Lebendige Gemeinde“ war erstmals der sogenannte Christustag ins allgemeine Kirchentagsprogramm integriert worden, eine historische Entscheidung, wie Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär lobte. Es gebe zwar weiterhin Meinungsunterschiede, aber die Abgrenzung, wie sie bisher üblich war, sei aufgehoben. Zwischen Evangelischen und Katholiken jedoch besteht (noch) keine Abendmahls- und Eucharistiegemeinschaft. Das gemeinsame Reformationsgedenken 2017 ist ebenfalls noch nicht konkretisiert. Und für den nächsten ökumenischen Kirchentag ist lediglich das voraussichtlich mögliche Jahr angezielt: 2021.

Gottes-„Gamer“

Der baden-württembergische Ministerpräsident und Katholik Winfried Kretschmann sprach über „Religion: öffentlich oder privat?“. Religion ist seiner Ansicht nach beides: privat und öffentlich. Sie füge dem Staat etwas hinzu, was kulturell einzig der Religion möglich sei: Transzendenz. „Das aber muss sie plausibel darlegen“, in Religionsunterricht, Gottesdienst, Katechese, an der Universität. Die Präsenz der Religionen bringe dem Staat deutlich Vorteile. Die islamischen Gemeinschaften hierzulande forderte Kretschmann auf, sich zu institutionalisieren, damit der Staat einen verbindlichen Ansprechpartner habe, um mit ihnen Verträge zu schließen.

Kretschmann plädierte zudem dafür, die religiösen Feiertage im säkularen Staat zu erhalten. „Ich möchte mit einem Irrtum aufräumen: Feiertage dienen laut Grundgesetz ‚zur seelischen Erhebung‘. Geschützt wird dabei nicht der Kultus, der Gottesdienst. Geschützt wird vielmehr der Sabbat, der laut Bibel für alle im Gemeinwesen gilt. Der Sonntagsschutz ist ein Geschenk der Religion an die Welt. Wir Christen haben keinen Grund, deswegen in die Defensive zu gehen.“

In Stuttgart waren musikalische Angebote von traditioneller Kirchenmusik bis hin zu Großkonzerten mit der Popvokalgruppe Wise Guys oder mit dem Sänger Andreas Bourani stark vertreten. Letzterer hatte anlässlich der Fußball-WM in Brasilien mit „Auf uns“ einen Pop-Hit gelandet und zog auf dem Kirchentag 15000 Zuhörer an.

Im Bereich der bildenden Kunst, sieht man einmal von Einzelaktionen und Ausstellungen sowie von der Hospitalkirche ab, die das „Zentrum Kulturkirche“ beherbergte, hätte man sich mehr Engagement gewünscht. Es fehlte weitgehend Kunst, die mit aufregender Sprache auf hohem Niveau religiöse Menschheitsfragen behandelt.

Einen eigenen Akzent, der insbesondere bei den unter 25-Jährigen für großes Interesse sorgte, setzte ein Forum „Kirchentag plays. Religion und Computerspiele“. Die Religionswissenschaftler und „Gamer“ (Spieler) Simone Heidbrink und Tobias Knoll aus Heidelberg stellten die Grafiken verschiedener Computerspiele vor, in denen die Spieler zum Beispiel die Rolle von Göttern übernehmen, um Welten zu erschaffen oder andere Götter zu verdrängen.

Wie sehr die elektronische, übers Internet verbundene „Gamer“-Welt über religiöse Inhalte spricht, zeigten die Referenten anhand des in Amerika entwickelten Spiels „BioShock Infinite“ (Lebenswelt-Schock unendlich). Darin werden die Spieler auf eine Wassertaufe vorbereitet, womit sie neue Welten „erobern“ können. Ohne Taufe kein Spielfortschritt. Eine intensive Debatte ergab sich, als nichtchristliche „Gamer“ Protest erhoben, sie wollten sich nicht taufen lassen. Die Spielefirma solle das Spiel umprogrammieren, weil die Religionsfreiheit nicht gewährleistet sei.

Die Schwäbisch Gmünder Soziologin Elke Hemminger betonte, dass Computerspiele das Leben, auch das religiöse, lediglich „abbilden“. Spiele seien „kreativ verarbeitete Wirklichkeit“. Immer noch werde diese Wirklichkeit von Pädagogen, Eltern und Lehrern viel zu wenig ernstgenommen. Die Frage, ob gezielt christlich gestaltete Spiele auch den Glauben anregen können, verneinte Elke Hemminger: „Sie können im Spiel nicht mehr machen, als was beim Spieler angelegt ist.“ Darüber hinaus gebe es kaum wirklich gut gemachte Spiele, die von den Kirchen und der Theologie inspiriert sind.

Wer kennt den Weg?

Was aber begeistert Christen, hilft zum guten Leben im Hier und Jetzt wie auch jenseits des Irdischen, über das Spielerische hinaus? Der Kirchentag hatte starke Momente insbesondere dort, wo im Liturgischen die Vergegenwärtigung Gottes gefeiert wurde - etwa im Geistlichen Zentrum - und wo deutlich wurde, dass Gott in jedem Menschen zugegen ist, als sein Ebenbild. Deshalb dürfe der Mensch, wie der Münchener Journalist Hans Leyendecker, Leiter des Investigativ-Ressorts der „Süddeutschen Zeitung“, erinnerte, gerade in seiner Armut und in seiner Hoffnung auf Gerechtigkeit nicht vergessen werden. „Anstatt beharrlich nach dem zu streben, was wir nicht haben, und das festzuhalten, was wir besitzen, sollen wir alles als Güter des Herrn ansehen und so damit verfahren wie der ungerechte Verwalter in Jesu Gleichnis.“

Beim Berliner Journalisten und Lyriker Arnim Juhre hat Leyendecker das Gedicht „Was unsere Armut anbelangt“ (1981) gefunden. Darin heißt es unter anderem: „Wer wohnt in den ewigen Hütten? / Es kommt die Zeit, / vielleicht schon bald, / dass wir die Obdachlosen fragen. / Wer kennt den Weg / zur bleibenden Statt?“ In diesen „ewigen Hütten“ wohnen die Hungernden und Dürstenden aus den Hungerländern, die, so Leyendecker, „ein bisschen Gerechtigkeit wollen, verachtet, verprügelt und vom Mob gejagt werden, wo ihre Sehnsucht nach Leben“ endet. Da höre er Jesus sagen: „Selig sind die, die hungert und dürstet nach Gerechtigkeit“.

Anzeige: In der Tiefe der Wüste. Perspektiven für Gottes Volk heute. Von Michael Gerber

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