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© C. Leithold - Picture alliance - blickwinkel

Die großen Heiligen sind mir, bei aller Wertschätzung, suspekt geworden“, schreibt der Religionspädagoge Hans Mendl. „Zu weit zeitlich weg, zu zölibatär, zu viel Patina, zu sehr entrückt, zu tot.“ Und tatsächlich: Wer von den Heiligen spricht, denkt meist an die altehrwürdigen Männer und Frauen, die uns auf Heiligenbildern, Statuen oder Kirchenfenstern begegnen. Apostel mit strengem Blick oder mittelalterliche Märtyrer, die die Folterinstrumente in Händen halten, mit denen sie getötet wurden. In jedem Fall Menschen, denen wir nicht auf der Straße begegnen würden. Die nicht viel mit unserem Alltagsleben zu tun haben. Muss das so sein? Sind wir nicht alle zur Heiligkeit berufen, auf unsere ganz eigene Art? Ausgehend von dieser Frage untersuchte unsere Autorin Doris Reisinger die Heiligsprechungen seit 1900. In übersichtlichen Grafiken schlüsselte sie 122 Jahre Kirchengeschichte auf – und kam zu dem Ergebnis, dass es weiterhin hauptsächlich Priester und Ordensleute sind, die zur Ehre der Altäre erhoben werden. Gläubige, die sich in ihrem Alltagsleben für eine bessere Welt einsetzen, haben noch immer kaum eine Chance, in die offizielle Liste der katholischen Heiligen aufgenommen zu werden.

Um zumindest im Kleinen darauf aufmerksam zu machen, welche wunderbaren Glaubens- und Lebensvorbilder in den letzten hundert Jahren gelebt haben, haben wir in der Redaktion zu Allerheiligen 2022 die Serie Heilige Inspirationen gestartet. In regelmäßigen Abständen haben wir hier Frauen und Männer vorgestellt, die sich sozial, politisch oder religiös engagiert haben, um die Welt besser zu machen. Auch für uns war es eine spannende Reise – von den Reservaten amerikanischer Ureinwohner bis nach Shanghai, von der Aufbruchstimmung der Jahrhundertwende bis in die düstere Zeit des Nationalsozialismus. Es war eine Reise, die uns gezeigt hat, dass es an jedem Ort und zu jeder Zeit Menschen gibt, an die zu erinnern sich lohnt. Und dass die katholische Welt schon immer vielfältiger war, als es oft den Anschein hat.

Dieser Sonderdruck ist all jenen gewidmet, die sich mit ihren Mitteln und Möglichkeiten für andere einsetzen. Neben sechs beispielhaften Heiligen Inspirationen und dem ursprünglichen Artikel von Doris Reisinger finden Sie einen Beitrag des Kulturhistorikers Hubertus Lutterbach über all die ehrenamtlichen Helfer, die unsere Gesellschaft ein Stück menschlicher machen. Außerdem haben wir uns „klassischen“ Heiligen neu genähert und dabei spannende Perspektiven auf ihr Leben gefunden. Unsere Redakteurin Johanna Beck hat sich auf die Spurensuche ihrer Namenspatronin Johanna von Chantal gemacht und dabei Parallelen zu ihrer eigenen Biographie gefunden. Die Historikerin Judith Rosen beleuchtet die besondere Beziehung, die Heilige wie Franziskus oder Martin von Tours zu Tieren hatten und was wir von ihnen für unseren Blick auf unsere Mitgeschöpfe lernen können.

Die letzte Seite gehört dann Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Hier haben wir eine Auswahl an privaten „Heiligen“ gesammelt, die Sie uns zugeschickt haben. Und wer weiß – vielleicht fällt Ihnen nach der Lektüre ja noch jemand ein, den Sie auf Ihre ganz persönliche Liste setzen würden.

Simon Lukas und die ganze Redaktion von CHRIST IN DER GEGENWART

Blog

Wochenimpuls : Schlendern

Ich glaube an den Fortbestand allen Lebens, ich glaube an die Unsterblichkeit der Seele. Ich glaube an die Erlösung. Dies alles genau zu verstehen mute ich mir allerdings nicht zu. Ich habe mich aber sehr gern von der Zuversicht eines Henry David Thoreau anstecken lassen, die ihn beim Wandern erfüllt hat: „So schlendern wir zum Heiligen Land, bis eines Tages die Sonne heller scheinen wird … Vielleicht wird sie bis in unseren Geist und unser Herz scheinen.“

Kurt Guss in: „Klus Eddessen. Wege zur Spiritualität“ (Verlag der Ostwestfalen-Akademie, Borgentreich 2023)