Trommeln und Beten

Kurz vor Magdeburg erinnert sich Christian Heidrich an Bert Brechts „Mutter Courage“, seinen Physik-Unterricht als Schüler sowie an den Ablassverkäufer Johann Tetzel.

Trommeln und Beten
© Christian Heidrich

Über eine Ortschaft namens Hohendodeleben nähere ich mich Magdeburg von der grünen Seite. In der Ferne sind die Türme städtischer Kirchen zu sehen, doch bin ich noch eine Weile unterwegs. Auf einem breiten Fahrradstreifen entlang der Landstraße, links und rechts fruchtbare Erde, die auch hier mit dem allgegenwärtigen Mais bepflanzt ist. Im ersten Vorort eine kleine, kompakte Kirche, in die ich gerne hineingehen würde, die aber, wie alle evangelischen Kirchen außerhalb touristischer Zentren, zuverlässig geschlossen ist.

In den umliegenden Hotels gab es reichlich Magdeburg-Broschüren. Die Stadt wirbt mit ihren „beiden großen Ottos“, also mit Kaiser Otto I. (912 bis 973), der, wie es heißt, der Stadt die prächtige Kathedrale „schenkte“ (was Brecht dazu sagen würde?), und mit Otto von Guericke (1602-1686), der hier nach dem Dreißigjährigen Krieg Bürgermeister und Diplomat war und zugleich mit seinen physikalischen Experimenten, so mit dem „Magdeburger Halbkugelversuch“, Wissenschaftsgeschichte schrieb. Da war doch etwas im Physikbuch, Vakuum, Pferde…

Meine Magdeburg-Assoziationen sind andere. Eine der Szenen von Brechts „Mutter Courage“ ist im Umfeld des für diese Stadt verheerenden Krieges 1618-1648 angesiedelt. In dem Stück baut Brecht diese ungute Alternative, Beten oder Handeln, auf. Die stumme Kattrin, „das arme Tier“, betet in der Not nicht wie die anderen, schlägt vielmehr die Trommel. Die Aktion kostet sie das Leben, doch rettet sie die Stadt Halle. Bert Brecht, der aus dem katholischen Augsburg stammte und auch ein betörendes Marien-Gedicht schreiben konnte, wollte das so sehen. Doch sein Konzept scheint mir oberflächlich. Trommeln und Beten sind das eigentliche Paar.

Und noch etwas fällt ein: Von den Machenschaften des Ablassverkäufers Johann Tetzel in dieser Gegend erzürnt, predigte Martin Luther auch in Magdeburg seine Sicht auf Evangelium und Kirche, war damit ungemein erfolgreich. Magdeburg wurde zu einer exemplarisch protestantischen Stadt. Was ist heute davon geblieben?

Im Stadtzentrum, in einer ruhigen Gasse, die die Kathedralkirche Sankt Sebastian umgibt, finde ich ein Zimmer im Roncalli-Haus, einem Bildungs- und Gästehaus der Diözese Magdeburg. Zeit, ein bisschen Wandertempo herauszunehmen.

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