Die Jakobsmuschel

Christian Heidrich wird für einen Pilger auf dem Jakobsweg gehalten und erhält wohlwollende Tipps für seinen Aufenthalt in Königsberg.

Die Jakobsmuschel
© Christian Heidrich

Als ich durch Gollwitz gehe, eine Ortschaft wenige Kilometer östlich von Brandenburg, zieht eine größere Gruppe Fahrradfahrer an mir vorbei. „Buen camino!“, ruft ein Mann mir zu. Ich bedanke mich und füge an: „Aber nicht Santiago - Königsberg!“ Der Mann bleibt prompt stehen, auch wenn sich die Gruppe rasch entfernt. Er erzählt mir, dass er selbst in drei Stücken auf dem Europaradweg R1 von seinem Wohnort Wuppertal nach Riga gefahren ist, „natürlich“ auch in Danzig und in Königsberg gewesen sei. In Königsberg empfiehlt er mir das Adalbertus-Haus. Und er schwärmt von der Freundlichkeit einer Schwester des Katharinenordens in Braniewo / Braunsberg direkt an der polnisch-russischen Grenze. Und selbstverständlich solle ich die „wilde“ kurische Nehrung nördlich von Königsberg nicht auslassen. Wir unterhalten uns einige Minuten über seine große Tour, die auch darin wurzelte, dass er in Danzig geboren ist.

Als er wieder wegfährt, sage ich: „Ein schöner Zufall, unser Treffen!“ Er entgegnet fröhlich: „Es gibt keine Zufälle!“

Nun, ein solcher Satz übersteigt deutlich die Ebene all meiner gesammelten Weisheit. Was aber gewiss nicht zufällig ist, dass ich hin und wieder für einen Jakobspilger gehalten werde. Schon seit Köln gehe ich immer wieder ein Stückchen auf Wegen, die mit der schönen, ausstrahlenden gelben Muschel gekennzeichnet sind. Eines Jakobspilgers freilich bin ich noch nicht ansichtig geworden, mehr noch: nicht eines einzigen Wanderers mit einem großen Rucksack! Der große Boom, er scheint sich auf die bekannten Strecken zu konzentrieren, auf den Camino Francése vor allem, der von den Pyrenäen nach Santiago führt. Dabei frage ich mich, ob man bald wohl von dem „Kerkeling-Weg“ sprechen wird?

Gleichwohl entdecke ich immer wieder kleine Angebote, die sich besonders an die Jakobspilger richten. Unweit von Magdeburg zum Beispiel das „Muschelfeld der Tugenden“, auf dem die christlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung mit den antiken Kardinaltugenden Tapferkeit, Gerechtigkeit, Weisheit und Mut zusammengesehen werden. Der geographische Kompass, so der Gedanke, funktioniere zumeist tadellos. Mit dem Kompass der Werte sei es schon schwieriger. „Fast immer“, so wird Christian Morgenstern zitiert, „ist der richtige Weg der schwerste.“

Am Rande:
Wenn ich gefragt werde, welchen Weg ich eigentlich gehe, antworte ich zumeist: „Nun, meinen eigenen Weg.“ Ich schätze, das kommt nicht gut an. Vielleicht sollte ich von einem „Albertus-Magnus-Weg“ sprechen. Der große Dominikaner (vgl. den Eintrag vom 31. Juli) visitierte als Provinzial von Köln aus die ihm anvertrauten Klöster bis hinauf nach Riga. Den strengen Ordensregeln entsprechend, soll er die langen Wege stets zu Fuß zurückgelegt haben.

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